
Wo ist die elektrische Gitarre zu Hause?
The Durango Riot zu Gast in Braunschweig. Ordentlicher Schwedenrock! Das passt mir! Was für mich aber noch nicht so ganz passt: Sie spielen im Eulenglück. Jetzt staune ich wirklich und muss am Konzertabend des 05.03. tausend Dinge auf einmal checken. Denn die Eule, wie man den derzeitigen In-Club in Braunschweig nennt, ist nicht gerade der Laden, wo ich ein Konzert von Profirockern aus Skandinavien erwarte. Musikalische Ausrichtung: Eher Electro. Aus diesem Grund habe ich hier mein Ohr nicht ständig auf dem Gleis, erfahre erst am besagten Abend von dieser Konzert-Veranstaltung, muss ohne Ende hetzen und dabei mühevoll meine Kopfblockade überwinden:
Text und Fotos: Stefanie Krause
Es ist Donnerstag, eigentlich schon immer einer meiner liebsten Feiertage in Braunschweig, ich gehe zu einem Rock-Event und mein Ziel ist das Eckgebäude am Gieseler 3. Soweit passt alles – nur passt das nicht in das Jahr 2015. Verdammt, ich bin zwar immer noch verpeilt aber keine Studentin mehr und mein heutiger Bestimmungsort ist nicht das Merz – so called ‚Home of the electric Guitar‘ – sondern das hier inzwischen angesiedelte Eulenglück. Das bedeutet nicht nur für mich viel Veränderung, denn den Boden dieser Location haben ich und damals eben meine Szenemitgänger mehr als regelmäßig betreten, als er noch zum ehemaligen Merz gehörte. Den noch Ehemaligeren ist das Merz bekannt als das Panoptikum. Traditionell ist hier in Braunschweig also Szenepublikum, das eher Alternative und für mich vor allem der Rock’n’Roll zu Hause. Klar, ich bin also vorbelastet. Nichtsdestotrotz: Ewiggestrige Nostalgiegedanken, kritisches Naserümpfen oder schüchterne Berührungsängste dürfen gar nicht erst hochkommen und so laufe ich einfach los. Das kann ich ganz gut. Im Prinzip habe ich auch keine Wahl, denn das Konzert von The Durango Riot in Braunschweig ist Pflichtprogramm für mich! Sie waren schon mit den Schweden-Metallern von Mustasch unterwegs, standen u.a. mit Social Distortion, Die Toten Hosen, Billy Talent oder The Offspring auf der Bühne, haben auf dem Reeperbahnfestival überzeugt und ziehen ihren bodenständigen aber dabei modernen Stil des „good old Rock’n’Roll“ auf der inzwischen dritten Langspielscheibe „Face“ konsequent durch. So kennt man The Durango Riot: Die wilde Fahrt nach vorne geht in einem röhrenden Rock’n’Roll-Schlitten mit kaputtem Punk-Auspuff über melodische Klanglandschaften, über die psychedelisch-gemusterte Stonerrock-Teppiche fliegen und sich auf ewig ins Gedächtnis einschreiben. Die sympathischen Jungs aus Schweden machen Rock, der zum Glück nicht ganz lupenrein ist, sondern sich unterschiedlicher Spielarten der Gitarrenmusik bedient und ohne Frage im modernen Musikgeschäft seine Daseinsberechtigung hat.
Als ich ankomme, wird mir sofort klar: Läuft! Diese Rockreise ist schon voll im Gange (die Punkrocker Abramovicz im Vorprogramm habe ich leider verpasst). Die Bühne befindet sich nicht wie im Merz im hinteren Bereich der Tanzfläche sondern vorne, wo damals wie heute der DJ-Bereich verortet ist. Sobald ich also den Konzertraum betreten habe, stehe ich prompt in der ersten Reihe und mein Blick fällt direkt auf die Bühne. Huch! Das ist ungewöhnlich, hat aber den angenehmen Effekt, dass ich mich nicht zum Ort des Geschehens nach vorne drängeln muss. Das ist super für ein Konzert in diesem Umfang! Der kleine Raum ist mit schätzungsweise fünfzig Besuchern ganz anständig gefüllt aber weit entfernt von proppevoll. In den ersten Rängen hat eine kleine Tanzformation aus eingefleischten Fans den Platz für sich beansprucht und springt munter umher. Der Rest hört aufmerksam und kopfnickend zu. Mir gefällt vor allem der Stonerrock-Einfluss außerordentlich gut, doch auch die Show lässt nichts zu wünschen übrig. Die vierJungs sind nicht nur ansehnlich, sondern auffällig gut aufeinander eingespielt. Man merkt, dass sie während ihrer derzeitigen Tour schon bei vielen Gigs geübt haben. Lässig und mit genau dem richtigen Maß an Spannung in den Songs und im Auftreten wetzen die Jungs die Bühnenbretter. Doch das genügt den gut geschulten Rockern nicht: Sowohl der Sänger strotzt vor Selbstbewusstsein und Vorwärtsdrang, als auch den Bassisten und den Gitarristen treibt es von der Bühne herunter. Sie springen beherzt in unsere Mitte und geben vor allem bei den reichlichen Zugaben noch einmal alles. Super, dass die Band selbst für ein verhältnismäßig kleines Konzert in Braunschweig so viel Leidenschaft zeigt! Da die Bühne recht niedrig ist, steht dieser feierwütigen Verbrüderung von Musikern und Fans sozusagen auch architektonisch nichts im Weg. Zum Sound kann ich sagen: Boa, laut! Wie auch damals schon im Merz ist der niedrige Raum eine Herausforderung für den Mischer. Mit braven Ohrstöpseln ist es aber kein Problem, die differenzierten Songstrukturen aus dem Lärm herauszufiltern. Also: Prüfung bestanden.
Das Konzert von The Durango Riot könnte auf jeden Fall als sehens- und hörenswerter Startschuss für eine mögliche Karriere der Eule als Rockschuppen geltend gemacht werden. Da stellt sich jetzt nur die Fragen: Kommt sowas jetzt öfter? Wird mich hier wie heute auch in Zukunft der Sound auf der Tanzfläche aufrütteln anstatt mich zu schütteln? …Wie es leider bei einigen Stippvisiten der jüngsten Vergangenheit am sogenannten Studentendonnerstag passierte – und ich meine damit nicht zwingend begeistertes Heckschütteln! Doch Stopp! Allen Unkern sei jetzt erstmal trotzig entgegengeschmettert: Doch, Leute, ich höre neben Rock und dem inzwischen ‚halt total uncoolen‘ alternativen Zeugs ebenfalls Elektro und liebe unterschiedliche Spielarten im weiten Feld der Musik. Dennoch mag ich es gar nicht, wenn es eben ein Quentchen zu undifferenziert, zu populärkulturell und zu unauthentisch an einem Ort wird, der eigentlich ein wenig mehr alternative Individualität verspricht. Denn die Eule ist in der Tat ein schöne, urig-verwinkelte, aber trotzdem genügend weitläufige Tanzbar, die mir schon am Eröffnungsabend letzten Sommer mit einer gelungenen Kombination aus gechilltem Loungebereich (drinnen und draußen) und partytauglichem Tanzbereich gefiel. Dieser erste gute Eindruck bekam aber unmittelbar einen schmerzlichen Riss, auf den ich bis heute nicht so ganz klar komme: In der Eule hängen überall Plakate von Metal-, Rock- und Indiebands und mir ist vor allem ein tolles Artwork an der einen Wand der Tanzfläche sofort ins Auge gesprungen. „Das kenne ich!“, quietschte ich aufgeregt, als ich es das erste Mal sah. Das ist ein Plattencover einer meiner liebsten Post-Sludge-Metal-Bands: Baroness (unbedingt mal reinhören!!!)! Doch die tatsächlich gespielte Musik in der Eule ist meist meilenweit von der entfernt, die mir aufgrund solcher Deko in den Sinn kommt. Selbstverständlich fühle ich mich dann wie im falschen Film!!!!
Oha, jetzt bin ich doch ein wenig ins Meckern gekommen – worauf wollte ich noch einmal hinaus? Stimmt, auf die Frage, ob man hier in Zukunf öfter Rockkonzerte erleben darf. Um das herauszufinden, sperre ich nach dem Konzert meine leicht fiependen Lauscher auf und erfahre, dass im Eulenglück in der Tat weitere Rockkonzerte geplant sind. Dafür soll in punkto konzertaugliche Technik aufgerüstet werden. Ziel soll sein: Die Vernetzung und Vermischung der Generationen und Szenen in der Innenstadt. Also ich wäre dabei! Denn meiner Meinung nach hat die rockschuppenlastige Kulisse im Eulenglück an diesem Abend zum ersten Mal Sinn gemacht und ich hab mich wohl gefühlt – zumindest bis zu dem Moment, als unmittelbar nach Ende des Konzerts eine für mich schwer definierbare, irgendwie elektronisch durchmischte Loungemusik eingespielt wurde. Das ging wirklich zu schnell und war vermutlich mit der Grund, warum nur ganz wenige nach dem Konzert blieben. Mit den allerletzten Versprengten ließ ich dieses schöne Musikereignis trotzdem bei einem Feierabendbierchen ausklingen, um mich dann doch von der schlagartig veränderten Athmosphäre aus dem Eulenglück vertreiben zu lassen. Wenn der musikalische Wechsel das nächste Mal vielleicht etwas behutsamer vorgenommen werden würde, wäre ich glücklich und dann bliebe das Jungvolk mit ihren Rockgroßeltern vielleicht für ein paar Minuten länger an einem Ort vereint. Gut, ich verstehe es, wenn man heutzutage nicht mehr voll und ganz auf das Pferd setzt, welches eine elektrische Gitarre um die zottelige Mähne geschnallt hat. Damit kommt man beim jüngeren Publikum eben nicht mehr weit. Aber spätestens seitdem klar ist, dass die Kuschelorte für den eher alternativen Party- und Musikgeschmack nach und nach wegsterben, erkennt wohl der eine oder andere Veranstalter und Clubbesitzer, dass hier einige feierwillige sowie musikinteressierte Menschen heimatlos werden. Schauen wir mal, wie das Eulenglück mit dieser Situation umgeht.