
Tanzkorrespondenz der spannendsten Art
„One more?“ Diese rethorische Frage stellt Mr. Bruce, Sänger von „The Correspondents“ aus Großbritannien, nach einem brausenden Auftritt im Hansa Kultur-Club am 13.02.2014. Klar! Eine Zugabe wollen wir alle! Auch ich, obwohl ich nach diesem absolut aufreibendem Elektro-Swing-Ritt völlig außer Atem bin. Also steigt DJ Chucks am Mischpult wieder in treibende Elektrobeats ein, die sich vor allem durch die Kombination mit Samples aus der Ära der klassischen Swingmusik zu einer ganz eigenen, komplexen Musikrichtung entwickeln..
Text: Stefanie Krause | Fotos: Jens Bartels/JayBe Photography
„Zugabe, Zugabe“, singt und klatscht des Publikum euphorisch und Mr. Bruce springt mit einem eleganten Hüpfer zurück auf die Bühne des Hansa Kultur-Clubs, einer der meist bespieltesten Konzertanlaufpunkte der Stadt. Die Bühne ist dieses Mal ganz besonders aufwändig gestaltet und bietet dem Duo „The Correspondents“ eine fabelhafte Kulisse für ihren rasanten Auftritt. Stellwände in kontrastreicher Schwarz-Weiß-Optik mit interessantem Strahlendesign erinnern an die Aufmachung einer Theaterbühne. So wird das Auge genau in den Mittelpunkt der Bühne gezogen, wo eine zentrale Lücke zwischen den Stellwänden entsteht. Das ist der „Space“ für DJ Chucks, der hier das Epizentrum des Konzerts darstellt, denn von hier aus mixt er den Sound der Show und gibt den Ton an! Die schwarz-weißen Strahlen laufen in diesem Zentrum zusammen – oder in umgekehrter Richtung: von diesem pulsierenden Punkt aus nach Außen. Diese Optik unterstützt, was wir hier alle im Publikum spüren. Die Musik von „The Correspondents“ strahlt in unserer Richtung und erfüllt unsere Herzen mit Freude und bringt unsere Körper zum Tanzen!
Ein bisschen wirkt diese Bühne auch wie ein Puppentheater, fällt mir auf! Ihr könnt mir glauben, „The Correspondents“ bringen definitiv die Puppen zum Tanzen! Angespornt werden wir dabei alle von Mr. Bruce, der mit seinem Outfit perfekt in die Ästhetik der Bühnenaufmachung passt. Hier hat man sich auf jeden Fall Gedanken gemacht! In seinem glitzernden, schwarz-weißen, „very british“ angehauchten 20er-Jahre Outfit „from outer Space“ macht der Sänger des Duos die Show zu einer wahren Styleexplosion, die gleichzeitig Augenschmaus und Gute-Laune-Garant ist. Man muss einfach fröhlich schmunzeln, wenn man Mr. Bruce auftreten sieht! Sein drahtiger, schmaler Körper ist in eine enge schwarzglänzende Leggins gezwängt, über die er anfangs einen wahrlich abendfeinen Frack gezogen hat, der sehr original wirkt. Dazu Kniestrümpfe mit knödeligem Rautenmuster, die er gut und gerne auch beim gepflegten Nachmittags „Tea“ tragen könnte. Die gesittete Weste, clownige Armstulpen und die weißen Tanzschuhe runden das Outfit ab! Heiße Tanzschuhe braucht er auch, denn was heißt hier „Sänger des Duos“ – Diese Bezeichnung würde Mr. Bruce nicht gerecht werden. Vielmehr ist er Showmaster des Duos und vor allem ein unglaublich geübter Tänzer!
Ich reiße bei manchen Bewegungen von Mr. Bruce die Augen auf und halte mit meinen Tanzschritten staunend ein. Wild gestikuliere ich in Daanis Richtung, die neben mir steht und trotz der Lautstärke der elektronischen Songs gleich versteht, was ich meine! Wir sind schwer beeindruckt von soviel Energie und Tanzkönnen. Ich frage mich nicht nur einmal, ob Mr. Bruce vor der Show Dehnübungen gemacht und sich auf dem Laufband aufgewärmt hat. Haben die im Hansa-Backstage sowas extra für ihn besorgt? Gelohnt hat es sich auf jeden Fall! Mr. Bruce gibt alles, misst die Bühne mit großen Schritten von links nach rechts aus, springt und hüpft, verfällt in blitzschnelle Tanzschrittkombinationen und schwitzt sich dabei halb tot. Das ist Leistungsport pur! Auf jeden Fall hat der sich aufgewärmt, denn sonst hätte er jetzt schon zwei Brüche und einen Knoten in seinen dünnen Beinen. Für diese Nummer ist der Frack dann wohl doch zu warm und Mr. Bruce wechselt zwischenzeitlich sein Oberkleid. Dieses Jäckchen ist eine Art Narrenjäckchen aus heutiger Zeit. Die schwarz-weißen Stoffzipfel springen freudig bei den gekonnten Tanzmoves auf und nieder und dieses Narrenkostüm passt auch zu den Pantomimeeinlagen, die Mr. Bruce rythmisch passend zu den Sounds von DJ Chucks einbaut. Ein wahres Spektakel, welches Mr. Bruce hier ganz alleine vor der Kulisse der Bühne präsentiert.
Doch ein bisschen leid tun mir Mr. Bruce und DJ Chucks dann doch, denn es sind an diesem verregneten Donnerstag viel zu wenige Gäste gekommen. Um so erstaunlicher ist es, dass die beiden wirklich bis zum Schluss Vollgas geben und sich auch nicht davon irritieren lassen, dass zwischen den Songs der Konzertsaal erschütternd ruhig ist. Denn es fehlen die Geräusche eines großen Publikums und die Unterhaltungen und Rufe der begeisterten aber kleinen Gruppe gehen ein wenig im verhältnismäßig großen Hansa unter. Manchmal muss es hart sein, als Newcomer nach Braunschweig zu kommen. In Deutschland sind „The Correspondents“ noch ein Geheimtipp, in England dagegen ein Hit! Egal, Augen zu und durch! Die Songs folgen schnell aufeinander und Mr. Bruce hat kaum die Chance, mal kurz Luft zu holen. Seinen Ansagen merkt man die Atemlosigkeit schon ein wenig an, doch die Texte der Songs singt er absolut fehlerfrei und leidenschaftlich gut. Hut ab vor dieser Leistung! Das ist nicht nur ein Konzert, sondern ein Schauspiel der Extraklasse!
Darum feiern die anwesenden Musikbegeisterten die Show umso kräftiger! Es ist, als möchten alle jetzt ganz besonders deutlich machen, wie sehr sie dieses Elektroswing-Duo und ihre waghalsige Show schätzen. Doch eine überschaubare Anzahl an Gästen hat auch sein Gutes: Ich habe selten ein Konzert erlebt, wo wirklich ALLE getanzt haben. Selbst die Thekenkraft wippt mit und einer steckt den anderen mit seiner Tanzlust an. Aber anders kann man es sich auch kaum denken, denn etwas Tanzbareres als die Musik von „The Correspondents“ gibt es wohl kaum. Die Songs sind durch die Mischung aus Swing-, Jazz- und 60s-Melodien und elektronischen Beats absolut eingängig und reißen sofort mit. Dennoch fehlt hier nicht der Anspruch! Ich bin begeistert von der Art, wie DJ Chucks die unterschiedlichsten Musikstile kombiniert und abmischt und dabei das Publikum auf eine abgefahrene Reise einmal queerbeet durch die Musikgeschichte schleift! Der Gesang von Mr. Bruce hat dazu Indie-Potential und erinnert manchmal an flockige Brit-Pop-Songs, kann aber durchaus auch in atemlosen Sprechgesang umschlagen. Was „The Correspondents“ selbstverständlich so modern und angesagt macht, ist ihr gekonnter Umgang mit elektronischen Klängen. Doch mit „Electro-Swing“ oder gar der fast schon allgemeingültigen Bezeichnung „Indie-Elektro“ ist es bei diesem Duo nicht getan. „The Correspondents“ eröffnen auch im Bereich des Elektros ein weites Feld der Musik und demonstrieren damit, dass auch diese Sparte von ungeheurer Komplexität strotzt. Vor allem die Drum’N’Bass-Eskapaden wirken absolut animierend auf das Publikum. Und die Zugabe trümmert zum Beispiel als ein Jungle-Elektro-Song auf uns ein und treibt die letzten Kräfte aus unseren Beinen. Lange nicht mehr so heftig getanzt! Die Kult-Tour-Prognose lautet: The Correspondents werden auf jeden Fall auch in Deutschland richtig durchstarten. So können sich also alle Braunschweiger ärgern, die diese Möglichkeit haben verstreichen lassen, denn dann sind „The Correspondents“ wahrscheinlich nur noch für den dreifachen Eintrittspreis in Hamburg oder Berlin zu sehen. Tja.
PS. :Hättet ihr mal auf Daani in ihrem Ankündigungstext gehört.