
Schottischer Hymnen-Rock trifft deutsche Bierkultur
Als ich am 21.02.2015 pünktlich (!) zum Konzert von den Melodic-Rockern Glass Museums aus Glasgow in der Braunschweiger Kneipenlegende Schabreu ankomme, wird gerade ein neues Fass angezapft. Na das passt doch zu dieser Neubekanntschaft! Mit ganz frischer Krone beginnt also mein erster Besuch in diesem etwas weiter außerhalb der Innenstadtgrenze liegenden Musiklokal. Die Lage schreckt vielleicht den einen oder anderen ab – ganz ohne Grund! Denn auch der Weg ist manchmal Teil des Ziels.
Text und Fotos: Stefanie Krause
So liegt in der Linie 413 eine lustige Busfahrt hinter mir, die mich durch Braunschweigs schönes östliches Ringgebiet und die nächtliche Prinzenparklandschaft führt. Das ist auch irgendwie spannend und die Fahrt zeigt außerdem, dass „weit weg“ in unserer Stadt wirklich relativ ist. Kaum 10 Minuten dauert es vom Rathaus bis zur Haltestelle „Messeweg“, von der ich dann nur noch ein paar wenige Schritte zu dem kleinen blassgrünen Häuschen mit dem auffälligen, großen, roten Schild fallen muss. „Braunschweigs Musikkneipe No.1“ lese ich darauf und ja, ich gebe zu, das hat bei mir schon öfter für Verwirrung gesorgt, wenn ich an diesem dubiosen Haus vorbeigefahren bin. Denn in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hab ich bisher so gut wie nie von Erlebnissen im Schabreu gehört. Das soll und muss sich ändern. Ab heute!
Veronika Collins von Radio Emergency hat mir wärmstens ans Herz gelegt, diesen Ort einmal unter die Lupe zu nehmen. Gleich am Eingang wird mir sodann auch gleich klar, dass meine heutige Wahl des Ausgehortes die richtige war. Marlis, hier von allen Malli genannt, hat mich auf der Gästeliste stehen und begrüßt mich außerordentlich freundlich. Den Betreibern und auch den Angestellten liegt der Erhalt des Schabreus am Herzen und die eng zusammengewachsene Gemeinschaft spürt man schon an der Eingangstür. Renate und Tutti haben die schon seit Jahrzehnten existierende Kneipe vor rund 6 Jahren übernommen und setzen sich seitdem leidenschaftlich dafür ein, diesem urigen Kleinod einen besseren Ruf zu verpassen als den aus schon lang zurückliegenden Zeiten. Es ist wirklich fatal, dass in unserer dörflichen Großstadt die Gerüchte oft so fest anhaften wie Kaugummi unter der Schulbank. Ich bin ehrlich: Auch mir wurden Geschichten von rechtem und anderem unangenehmen Stammpublikum zugetragen. Wohlwissend klärt mich Renate offen und ehrlich auf. Vor ungefähr vier Jahren sollen es ‚diese‘ Leute laut Renate noch einmal versucht haben. Doch ohne zu zögern griff man zum Telefonhörer und es dauerte keine zwei Minuten, bis die Polizei vor Ort war, um die besagten Gästen aus dem Schabreu zu entfernen. Seitdem blieben diesem netten Ort solche Besuche erspart und etwas anderes konnte sich hier etablieren: Musikkultur in einer Vielfalt, wie man es einer typischen Bierkneipe wirklich erstmal gar nicht zutrauen würde. Klaus-Dieter Stutzki, bekannt als Tutti, streckt die Fühler stetig und weit nach neuen Bands aus und auch eine offene Bühne gibt es hier regelmäßig. Bei freiem Eintritt und fairen Getränkepreise stehen dann der Raum und die für eine Kneipe ungewöhnlich große Bühne bereit für allerlei musikalische Experimente.
Heute spielt die noch ganz junge Band Glass Museums aus Schottland für einen absolut kulanten Eintrittspreis. Das passt! Auch musikalisch! Nachdem das entspannte Publikum im Schabreu von Phil Barnes aus Great Britain (wohnhaft in Hannover) mit Softrock-Alltime-Favorites allmählich warmgemacht wurde, betreten die sympathischen Jungs aus Glasgow die Bühne. Diese ist ziemlich hoch gebaut, damit auch alle bis zur letzten, mit allerhand Nippes und entdeckenswerter Deko geschmückten Ecke des Konzertraums die Musiker sehen können. Alle schauen gespannt ins bunte Rampenlicht, wo sich die fünf Mitglieder von Glass Museums offenbar ziemlich wohl fühlen. Selbstsicher und musikalisch talentiert präsentieren sie eine Show, die Spaß macht. Kernkompetenz dieser schottischen Band, die es nach ihrem Auftritt in Hannover zu unserem Glück auch nach Braunschweig verschlagen hat, ist ohne Frage hymnische Rockmusik, die frisch und unverbraucht rüberkommt. Zwischendrin übertreiben sie es für meinen Geschmack ein wenig mit klavierbegleiteten Schmachtstücken, doch dafür werde ich in der zweiten Hälfte des Konzerts mit ein paar Songs beglückt, die diesen speziellen bombastischen Stil erkennen lassen, der mir von anderen schottischen Bands wie etwa Aereogramme bekannt ist. Obwohl Aereogramme natürlich ganz anders klingen als Glass Museums bilde ich mir dennoch ein, Parallelen entdecken zu können. Es sind diese schweren, aber doch vorantreibenden Melancholieversprechen, die ich
wiedererkenne. Dicht und – ja – irgendwie halt ‚schottisch‘ dringen sie mir ins Ohr. Für die Zugabe fädeln Glass Museums dann ganz geschickt einen ihrer absolut hit- und ohrwurmverdächtigen Songs ein. Ein beherzter Sprung des Sängers von der Bühne führt zu einem vergnügten Aufwallen der Stimmung der Gäste. Das Beste an den Schabreutreuen sei deren Offenheit für engagierte Bands, erzählt mir Renate später bei einem gemütlichen Plausch an der Theke. Gut so! Die Band wird aufmerksam honoriert und jeder Song mit Applaus und Zurufen bestätigt. Ihr Mix aus Altbewährtem und modernen Klängen kommt gut an. Obwohl Glass Museums unüberhör- und unübersehrbar eine ganz junge Band aus der Jetztzeit ist, erinnern sie mich auf jeden Fall an eingängige Tanzklassiker etwa aus dem damaligen Merz (ehemals Panoptikum) mitten in der Partymeile. Anfang der 2000er Jahre hat man hier in „Rockcity“ sowas noch überall gespielt, doch derzeit sind Gitarrenklänge in der Innenstadt leider Mangelware geworden. Umso schöner ist es, dass Orte wie das Schabreu noch vorhanden sind. Ich habe hier auf jeden Fall einen klasse Abend, der dann mit einer kleinen Reisegruppe in der gut besuchten Metalparty vom Hotel 666 im Onkel Emma, mit gut gemischter Musik in der Haifischbar beim Fanclub Soundsystem und bei einer Kostprobe der immer wieder neuen Getränke-Kreation im Hardrockschuppen Klaue ausklingt. Richtig, ein paar alternative Partyorte gibt es noch in unserer Stadt! Ihr müsst sie nur einmal entdecken kommen, wie ich an diesem Abend das Schabreu. Ich komme gerne wieder!