
Olé olé olé! Jedoch gilt immer: No tears for the creatures of the night!
Ich war auf dem Silver Club! Echt jetzt: Ich war da. Auf der Bühne! Habt ihr mich gesehen? – Diese eine Gönnersekunde Selbstbeklatschung musstet ihr mir jetzt eingestehen! Denn um das Silver Club Team nicht zu enttäuschen, war ich für diesen Anlass richtig pünklich! Um 22 Uhr platze ich vom Dezemberregen durchfeuchtet auf den Vorplatz der Mensa 2 der TU. Doch kann ich mich nicht in der wohligen Wärme der Ghettotonnen trocknen. Die Bühne ruft! Passend zum Thema „Braunschweig in Eintracht“ verschenken der Silver Club, Kult-Tour Braunschweig und Axel Klingenberg das Buch „Blau-Gelb-Sucht“…
Text: Stefanie Krause | Fotos: Felix Kuntoro
Sogleich als ich im Inneren des großen Mensaraums ankomme, stockt mir ein bisschen den Atem. Dass so viele von diesem Silver Club Thema angelockt werden, habe ich nicht erwartet! Bestimmt 200 Leute sitzen artig in sorgfältig aufgebauten Stuhlreihen vor der Bühne und auch an der Theke ist schon etwas los. Vor euch allen muss ich gleich auf die Bühne? Nein. Doch. Bin ich etwa aufgeregt?
Saschas, aka Skapino und Kopf der Clubtruppe, weiß ganz gut damit umzugehen. Im gemütlichen Loungeraum am Rande der Hauptveranstaltung erklärt er mir souverän, freundlich und ruhig, wann ich was machen soll. Aber eigentlich ist die ganze Aktion ziemlich spontan und ich stimme ihm zu, dass alles schon irgendwie klappen wird. Zeit habe ich auch noch, denn dieser Silver Club ist wirklich mit einem ausstaffierten Kulturprogramm an den Start gegangen. In der Lounge kann man besipielsweise Graffiti-Kunst und Streetart von Monk-Vermonkt und Michael Schulze bestaunen, der seit 2004 Erfahrungen in der Szene sammelt und unter dem Künstlername Sik-One2006 auch Aufträge annimmt. Die beiden haben extra für den Silver Club den Raum gestaltet. Auf der Sofabühne ist die Talkshow immer noch im Gange und davor hat bereits Lord Schadt aus einem seiner zahlreichen Werke gelesen. Unterstützt wurde er von Oliver Ding von der Freiwilligenagentur Braunschweig, der ganz freiwillig den weiblichen Part aus Schadts Text übernommen hat. Schönes Ding! Zum gesamten Talk-, Konzert- und Rahmenprogramm zum Thema „Braunschweig in Eintracht IndependentKulturNacht“ hat der Silver Club so viele Gäste wie noch nie eingeladen! Die Dankesliste, die am nächsten Tag per Rundmail durch die Kanäle geht, nimmt kaum ein Ende: Weitere Lesebeiträge von Till Burgwächter und Armin Burkhardt folgen. In der Talkrunde diskutieren Germanistik-Dozent und Buchautor Prof. Burkhardt, der Politikwissenschaftler Dr. Gerald Fricke, der Musiker und Fußballfan Tobi Wan, der Musik-Dozent und Mitgründer der Band „Jazzkantine“ Jan-Heie Erchinger, der Schriftsteller Till Burgwächter sowie der Eintracht-Braunschweig-Abwehrspieler der Meisterschaftsmannschaft von 1966/67 Klaus Meyer. Den musikalischen Abschluss des Talks besiegeln Jan-Heie Erchinger mit Jan Niklas, Peter Stoppok und die Braunschweiger Stadtmusikanten. Thematisch ging es jedoch nicht nur über Fußball. So stellte man sich auch die Frage, was die Braunschweiger denn im übertragenen Sinne in Eintracht bringt. Ist es hauptsächlich das Fantum oder vielleicht auch der Kulturbetrieb der Stadt? Ich zähle auf dieser Veranstaltung auf jeden Fall viele Gesichter aus der Kunst, Musik-, Theater- und Literaturszene und ob Fußballfan oder nicht: Man kennt sich! Überall komme ich sofort ins Gespräch, so dass ich fast meinen Auftrag vergesse. Denn plötzlich dringt Skapinos Stimme aus Richtung der Bühne an mein Ohr „Jetzt brauche ich noch Steffi auf der Bühne…Steffi!….Steffi?“
Verdammt. Jetzt heißt es: Beine in die Hand genommen, Gin-Tonic abgestellt und auf die Bühne geflitzt. Und da stehe ich also prompt – und sehe erstmal nichts! So ist das wohl auf der Bühne, angeballert von grellem Licht weiß ich nur aus der Erinnerungen, dass die dunkle Masse dort vor mir jene 200 Leute sind, vor denen ich vorhin erführchtig erzitterte – Also als ich noch sehen konnte. Skapino und Axel Klingenberg stehen bereits dort und einen geblendeten Augenaufschlag später wird mir eine Mikro in die Hand gedrückt. Dies stellt sich als eine Herausforderung technischer Art heraus, die ich mit folgendem Zitat aus Wikipedia überdramatisieren möchte:
„Das dynamische Mikrofon ist ein elektroakustischer Wandler (Sensor), der Schallereignisse als Schalldruckimpulse nach dem Prinzip der elektromagnetischen Induktion in äquivalente elektrische Spannungsimpulse wandelt.“
Nun, ist es zu weit weg von deinem Sprechapparat, wandelt sich da elektroakkustisch mal rein gar nichts. Ist es dann nah genug dran und du unterschätzst die Macht deines Stimmorgans, wird das Schallereignis ganz leicht zum Schrillereignis, welches sich schallend in die Ohren deiner Zuhören drückt, deren Impuls dann eher „Aua“ als Applaus ist. Nicht ganz leicht! Doch dann ist alles schon vorbei und ich kann dankend an Axel Klingenberg abgeben, der dem glücklichen Empfänger das Buch Blau-Gelb-Sucht überreichen möchte. So, das war sie also – meine erste Bühnenerfahrung seit der Orientierungsstufe, wo ich zu einem mir peinlichen Lesewettbewerb überredet wurde.
Auf der Silver Club Bühne stehe ich aber ehrlich gesagt ganz gerne. Dankeschön für dieses Erlebnis!
Danach habe ich auf jeden Fall großen Respekt vor Tobi Wan, der nach dem Umbau mutterseelenallein vor einer nun fast leeren Fläche seine Songs singt. Ab jetzt werde ich mich bei Konzerten immer gleich ganz nach vorne stellen und diese armen Menschen auf der Bühne niemals mehr im Stich lassen! Die Band Braunschweig Pension hat danach Glück, denn die Menge hat sich inzwischen ganz vorne eingefunden und der Silver Club ist mehr als nur gut besucht. Sie spielen den Aufstiegssong „Hallo Bundesliga“ und verbreiten mit ihren Liedern die passende Aufstiegsstimmung. Auch als überzeugte Fußballfremde freue ich mich, dass auch dieses Konzept des Silver Clubs erneut aufgegangen ist und erfolgreich viele Menschen zum gemeinsamen friedlichen Feiern angelockt hat. Dieser Abend hat dem Silver Club viele neue Fans beschert und Neuinfizierte mit treuen Stammgästen zusammengebracht. Die Frage des Abends kann wohl einwandfrei beantwortet werden: Eine Eintracht in Braunschweig entsteht auf dem Silver Club!
Irgendwann zwischen 24 und 1 Uhr nachts reicht es mir dann aber doch langsam mit den Fangesängen und mir zuckt es mächtig im Tanzbein. Der Spielerwechsel hätte zumindest meiner Meinung nach gerne etwas früher geschehen können. Ich und die Diskjockeys langweilen sich schon ein wenig auf der Reservebank. Doch diesen leichten Anflug von Frust vertreiben DJ van Bauseneick und DJ Manni dann in null comma nichts und nehmen die Tanzwütigen vom ersten Song an mit auf eine rasante Reise durch feinste Indiekracher und bombastische Hitgiganten. Sie graben zum Beispiel Panjabi MC aus und bringen damit alle dazu, nicht nur den Knight Rider sondern den All-Night-Dancer zu mimen. Die Tanzlust ist schier grenzenlos und das Parkett ist nicht eine Sekunde leer. Zu Tool und Kyuss ensteht ohne Worte eine Wintergartenrunde um einen imaginären Pfahl und bei Tuxedomoon „No tears for the creatures of the night“ möchte ich am liebsten vor Freude heulen. Ein toller Tanzmix, von dem mir bestimmt noch die ganze Woche mein Musikherz und die Fußsohlen nachbrennen werden!
Geschichten aus 6 Jahren Silver Club lest ihr im Bericht Festival der Freiwilligen