
Nooc: The Beauty Of It All
35 Jahre nach seinen ersten musikalischen Aktivitäten findet ein Rockmusiker endlich die Erfüllung: mit einem Solo-Debütalbum, das erstaunlich unrockig ausgefallen ist. Matze und Timo trafen sich fürs KURT-Magazin – 25 Jahre nach ihrem gemeinsamen Abitur. Jetzt das Interview aus dem Magazin in der Extended-Edition auf Kult-Tour Der Stadtblog!
Text: Matthias Bosenick | Fotos: Andrea Mayer-Brandt
So fühlt sich Erlösung an: Mit 44 Jahren, satte 30 Jahre nach den ersten musikalischen Aktivitäten, veröffentlicht der Steinhorster Timo Mayer-Brandt sein Debüt-Soloalbum. „The Beauty Of It All“ lautet der Titel, Nooc sein Projektname, und das Ergebnis ist für den Rockgitarristen überraschend unrockig. Nach diversen Bands und unveröffentlichten Alben fand er endlich seinen Sound – und hat auch schon Songs für den Nachfolger in petto.
Überraschend elektronisch wirkt der Unterbau für viele der 13 Songs, und das, obwohl sie von der Gitarre dominiert sind. Timo Mayer-Brandt ist Rockmusiker, daran ändert sich auch nichts mehr, aber auf diesem Album drückt er eine andere Seite von sich aus. Auslöser war, dass er sich vor einiger Zeit eine neue Akustikgitarre kaufte und nur noch auf ihr spielte: „So sind viele Lieder entstanden, und deshalb ist die Platte poppiger und ruhiger, als ich normalerweise Musik machen würde.“
Wer Mayer-Brandt kennt, hört dessen Lieblinge heraus: hier einen Bass wie bei den Red Hot Chili Peppers, dort ein Gitarrentapping wie bei Van Halen, und sowieso immer wieder Harmonien wie bei den Beatles. Das will er auch gar nicht verstecken: „Was ich schätze, will ich in meiner Musik wiederfinden.“ Und ganz besonders schätzt er die Beatles, schon immer: „Fürs Songschreiben geht man bei den Beatles in die Lehre, und man hat gut zu tun, bis man etwas gelernt hat.“ Bei den Beatles lernte Mayer-Brandt noch mehr, zum Beispiel, politische Statements zu setzen: „Es ist mir wichtig, dass man seinen Mund aufmacht.“
Die Beatles begleiten Mayer-Brandt von Kindauf. Mit zehn Jahren begann er ihretwegen, Gitarre zu spielen. Drei Bands hatte er danach mit seinem älteren Bruder Nico: Illegal Dream, Adelaide und Various. Seinen ersten Auftritt hatte er mit 13 Jahren, „alle anderen waren vier Jahre älter als ich“, das war im Jugendzentrum in Sprakensehl. Danach gab es Hodge, mit denen Mayer-Brandt sogar ein Tape veröffentlichte.
Doch empfand er nichts von dem als einen Ausdruck dessen, was er sich unter seiner eigenen Musik vorstellte. Ein Kontaktseminar für Popularmusik in Hamburg war 1993 ein einschneidendes Erlebnis: Dank Experten, die unter anderem für Udo Lindenberg und andere Musikergrößen spielten, erweiterte Mayer-Brandt seinen Horizont. „Ich kannte die gar nicht“, gibt er heute zu, und als er dort entsprechend unbeeindruckt vorspielte, gefiel er den Dozenten und erhielt die Einladung. Bei dem Seminar knüpfte er zudem neue Freundschaften, darunter zu Manne Uhlig von Gleis 8. Mit dem als Schlagzeuger formierte Mayer-Brandt anschließend das Power-Trio Timothy’s Band. Erst zu dieser Zeit entdeckte er auch das Mikrofon für sich; er nahm am Staatstheater Braunschweig Gesangsunterricht. Ein Demo nahm er auf, das fand er zwar gut, aber etwas fehlte: „Das kann’s noch nicht sein“, entschied er für sich. Das Trio zerbrach alsbald, ebenso die Band Colourcrash danach: „Ich habe mich darin nicht wiedergefunden.“
Mittlerweile war es 2004 und Mayer-Brandt nahm sein erstes eigenes Demo unter dem Namen Nooc auf. Der ist eine Abwandlung von Nook, dem englischen Wort für Nische, und die hat Mayer-Brandt damit endlich gefunden. Ursprünglich wollte er sich Newt nennen, nach dem Spitznamen des kleinen Mädchens Rebecca Jorden in „Aliens“, „aber ich habe herausgefunden, dass es bereits einen DJ mit dem Namen gab“.
Nach einigen weiteren Demos, die Mayer-Brandt sämtlich nicht veröffentlichte, liegt nun „The Beauty Of It All“ vor, im Digipak und komplett allein eingespielt. Mayer-Brandt betont: „Das ist Musik für eine Band, kein Singer-Songwriter-Kram.“ Eine Band will er noch formieren, um die Platte auf Bühnen umsetzen zu können, „die muss irgendwie live raus“, auch wenn das schwierig zu bewerkstelligen sei, und auch der Nachfolger soll mit Gastmusikern eingespielt werden, darunter möglichst mit Manne Uhlig.
Auf Deutsch zu singen, kommt für Mayer-Brandt übrigens nicht in Frage: „Ich höre keine deutschsprachige Musik.“ Nur Grönemeyers „Bleibt alles anders“ drang bis zu ihm durch. „Ich bin so groß geworden, ich habe es nie probiert, auf Deutsch zu singen“, sagt er. Nicht zufällig wurde er Englischlehrer: „Englisch klingt für mich einfach besser.“
Ebenso eigensinnig ist Mayer-Brandt in Sachen Darreichungsform: „Ein Download wäre zwar günstiger gewesen, aber das wollte ich nicht, ich wollte eine CD haben.“ Ihm sei klar, dass, wenn jemand heutzutage Musik kauft, dann eher als Download: „Außer vielleicht unsere Generation.“ Selbst die drei unveröffentlichten Alben würde er nicht auf diesem Wege zugänglich machen, ebenso wenig, wie er einzelne Stücke daraus in ein neues Album integrieren will: „Ich denke immer im ganzen Album, das muss zusammen einen Sinn ergeben.“ Zudem seien diese Alben „nicht vernünftig aufgenommen“, sagt er, „ein guter Song muss auch hörbar sein“, wenngleich er an den Songs selbst nichts auszusetzen hat: „Die könnten neben denen von heute stehen im Prinzip.“
Satte fünf Jahre lang arbeitete Mayer-Brandt mit seinem eigenen hohen Anspruch an „The Beauty Of It All“: „Ich habe die Platte so oft nochmal gemacht!“ Die Songs selbst hatte er zwar in einem bis zwei Jahren fertig, doch „dann habe ich alles mögliche herumprobiert und geändert – das Fertigstellen war hammerhart.“ Mit dem Ergebnis: „Wenn ich die Platte jetzt durchhöre, höre ich keinen Fehler mehr – und ich bin sonst selbst immer sehr unzufrieden.“
Ein reines Solo-Ding wurde „The Beauty Of It All“, weil alles andere nicht passte, darunter Versuche mit Mitmusikern: „Ich musste mir selbst klarwerden, was ich will“, so Mayer-Brandt. Er richtete sich zu Hause ein eigenes Studio ein und nahm die Songs selbst auf: „Deshalb steht mein Name so oft im Booklet, das war kostengünstiger, keine Selbstbeweihräucherung.“ Damit erfuhr er für sich selbst eine Bestätigung, und auch der Hörer solle dies: „Jetzt kriegt man zu 100 Prozent den einen Typen – das kann ein Vorteil sein, das kann ein Nachteil sein.“
Er wisse, dass eine erste Veröffentlichung ein Türöffner für die Karriere sein kann. Seine Konsequenz daraus, trotz aller Individualität: „Die nächste Platte wird nicht allein in Eigenregie sein.“ Für Mayer-Brandt ist „The Beauty Of It All“ wie eine Erlösung nach 30 Jahren Suche. Und mit der Zuversicht: „Es geht weiter.“