
Kultur entsteht am Stammtisch!
„Kultur für Alle“ ist das Motto des erst im Mai gegründeten Kulturvereins KufA e.V., dessen Hauptanliegen die Gründung eines neuen soziokulturellen Zentrums in der Tradition des legendären Braunschweiger FBZ ist. KufA e.V. macht sich stark für regionale Kultur und möchte nun mit einem regelmäßigen Stammtisch Kulturschaffende und Kulturunterstützer, Journalisten und Interessierte zusammenbringen. Der Stammtisch mit kulturellem/musikalischem Begleitprogramm findet einmal im Monat derzeit in der gemütlichen DRK Kaufbar statt.
Text: Stefanie Krause | Fotos: Matthias Bosenick
„Wo hast du die Kamera gelassen?“, begrüßt mich Bernd Müller vom KufA e.V. zum zweiten offiziellen Kulturstammtisch des Vereins am 25.09.2013. „Kultur für Alle“ ist das Motto des erst im Mai gegründeten Kulturvereins, dessen Hauptanliegen die Gründung eines neuen soziokulturellen Zentrums in der Tradition des legendären Braunschweiger FBZ ist. Von dieser Idee und der KufA hat inzwischen wohl jeder gehört, der in der Kunst-, Kultur und Kultszene der Stadt unterwegs ist. Ich auch. Persönlich kennen gelernt habe ich die Köpfe der KufA erst vor Kurzem auf dem Jubiläumsfest der NeunRaumKunst. Nun, da war ich für eine spontane Fotosession ausgerüstet – heute ist mir ein bisschen der Alltagsstress dazwischen gekommen und die Kamera ist zu Hause liegen geblieben. Ganz knapp komme ich nach einer etwas hetzigen Anreise in der DRK Kaufbar an, wo ich es mir aber gleich wunderbar gemütlich machen kann. Denn auf den wenigen runden Tischen brennen Kerzen und verbreiten ein lauschiges Licht in dem kleinen Bistroraum mit Theke, Bühne, Polstermöbeln und altmodischen Stehlampen. Genau so ein nostalgisches Sofa, wie hier auf der Bühne steht, hatte ich auch mal! Dass ich mich daher auf Anhieb wie im eigenen Wohnzimmer fühle, beweist sich gleich bei meiner Ankunft. Jacke und Tasche werden erst einmal irgendwo willkürlich im Raum verteilt, so dass ich sie später suchen muss. Während ich also noch dabei bin anzukommen, wird schon das Programm des heutigen Stammtischs angekündigt. Dieses Mal möchte die Band Arjomi auftreten, anschließend soll die Idee eines alternativen Kulturfestivals für Braunschweig vorgestellt und diskutiert werden. Der KufA-Kulturstammtisch versteht sich als ein „Forum für unabhängige Kultur mit vernetzendem Charakter“, wie man es auf den sehr informativen Internetseiten des Vereins nachlesen kann. Nehmt euch mal einen Moment und schaut ins Netz, denn hier stellt der Verein seine engagierten Ziele vor, gibt einen Überblick über die Situation der zuweilen ziemlich stiefmütterlich behandelten Braunschweiger Kulturszene und lockt mit der wohl umfangreichsten Linkliste zum Braunschweiger Kulturleben. KufA e.V. macht sich stark für regionale Kultur und möchte nun mit einem regelmäßigen Stammtisch Kulturschaffende und Kulturunterstützer, Journalisten und Interessierte zusammenbringen. Nur ein straff gespanntes Netzwerk kann die alternative Kultur richtig unterstützen – also frei nach dem Motto „Kultur für Alle“ und ‚Alle für die Kultur‘! Und das Netzwerk funktioniert: Auch mein bescheidenes Projekt Kult-Tour Braunschweig profitiert gleich beim ersten Besuch des Stammtischs: So drückt Jogi Schnaars von Arjomi kurz vor seinem Auftritt noch schnell meinem Tischnachbarn eine kleine Kamera in die Hand und damit löst sich mein Problem, denn die Bilder darf ich ebenfalls für meinen Bericht verwenden. Danke Jogi, danke KufA!
In den Händen von Matze Bosenick, fleißiges Multitalent in Schrift und Bild und festes Mitglied des Silver Club Teams, erweist sich die Taschenknipse dann als kleines Dunkelwunder. Trotz gedimmter Beleuchtung kann Matze ein paar schöne Impressionen von dem Akustikkonzert einfangen. Mit Joe Coxall und Jogi Schnaars sind zwar nur zwei der Mitgliedern von Arjomi da, doch es gelingt den beiden spielerisch, den mitreißenden Stilmix der Band rüberzubringen. Mal Folkig, mal meditativ, mal treibend, mal spirituell – dabei aber immer so dynamisch rhythmisch, dass man mitwippen möchte – lebt die Musik von Arjomi vor allem von der Kombination unterschiedlichster, gern auch ungewöhnlicher Instrumente. Deswegen genügt es Jogi und Joe auch heute nicht, mit jeweils einem Instrument aufzutreten. Joe, eigentlich hauptsächlich der Trommler der Combo, greift zur Flöte und Jogi bringt mit der Ukulele so etwas wie die kleine Schwester seiner Akustikgitarre mit. Das ist eine Premiere, die dann mit einem exklusiven Solo auf dem Miniaturinstrument gebührend abgefeiert wird. Die beiden zeigen ihr musikalisches Können und beeindrucken mich besonders durch ihr intuitiv anmutendes Zusammenspiel. Die Songs werden stets mit einer Prise Improvisation gewürzt, das macht auch diese Session von Arjomi beim Kulturstammtisch so lebendig. Auch ein ganz neuer Song wird gespielt, obwohl der laut Jogi noch nicht ganz sauber einstudiert sei – er bringt dieses Konzept der Band trocken und mit einem Augenzwinkern auf den Punkt: „Wenn ich mich verspiele, dann ist es Jazz.“ Bei mir hat’s getroffen. Von Arjomi würde ich gerne mehr sehen und hören!
Eine Mission des KufA-Stammtischs erfüllt sich für mich also defintiv: In ganz entspannter Runde wird auf Künstler der Stadt aufmerksam gemacht. Auch bei den zukünftigen Treffen wird ein spezielles kulturelles Programm geboten. Dabei verzichtet der Verein auf das Konzept Einritt. Auf freiwilliger Basis kann jeder sein Gefallen und seine Unterstützung mit einer Spende für die auftretenden Künstler zeigen. Als ich meinen Beitrag in den herumgeführten Spendenhut werfe, befällt mich ein gleichzeitig ungezwungenes aber dennoch verbindliches Gefühl. Jeder gibt das, was er geben möchte und kann. So geht’s auch!
Nach dem Auftritt von Arjomi gibt dann Torsten ‚Toddn‘ Kandziora auf andere Art und Weise alles. Aufgepasst, denn jetzt wird nicht nur das Licht in der Kaufbar wieder hell gedreht, sondern Toddns Ideenmaschine angeknipst. Mit flammender Rede plädiert er für einen „Alternativen Kulturpreis“ für Braunschweig. Eine so reiche Kulturszene, wie sie die Stadt derzeit vorweisen kann, habe er das letzte Mal in den Achtzigern erlebt. Die vielen Kreativen verdienen doch eine angemessene Aufmerksamkeit und warum dann nicht auch einen Kulturpreis? Torsten kann sich vorstellen, dass dieser im Rahmen eines Kulturfestivals verliehen werden soll und steckt die Gäste mit dieser guten Idee an. Eine rege Diskussion entsteht, bei der über eine sinnvolle Kategorisierung der unterschiedlichen Kultur- und Kunstsparten, über die Bildung einer Festivaljury und die Möglichkeiten der Finanzierung debattiert wird. Die Idee erinnert mich an die Geschichte des Internationalen Filmfest Braunschweig. 1987 von Studenten und Filmbegeisterten zum ersten Mal initiiert, avancierte das Festival zu einem Publikumsmagnet mit 25.000 Besuchern und namhaften Gästen der internationalen Filmbranche. Die ehrenamtliche Arbeit der vielen Vereinsmitglieder ist dabei auch heute noch ein unabdingbarer Pfeiler, auf dem die Veranstaltung ruht – auch wenn das Filmfest inzwischen viele renommierte Sponsoren gewinnen konnte und aus Braunschweigs Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken ist. Vielleicht kann das ein Vorbild für ein Kulturfestival sein und darüber hinaus den KufA-Verein in seinem Vorhaben bestärken und motivieren? Der Verein vom Filmfest hat es schließlich auch geschafft, mit dem Universum einen Ort zu finden, wo alternative Kultur neben dem Mainstream existieren kann. 2009 übernahmen der Verein das charmante Lichtspielhaus und betreibt seitdem Braunschweigs letztes Programmkino.
Ein soziokulturelles Zentrum für Braunschweig ist auch kein utopisches Ziel und wäre ebenfalls eine echte Bereicherung für Braunschweig. Meine Unterstützung ist dem KufA e.V. jedenfalls sicher und beim nächsten Kulturstammtisch am 30.10.2013 in der DRK Kaufbar bin ich gerne wieder dabei. Vielleicht dann mit Kamera, Bernd.