
Kult-Tour elektrisiert! – Teil 1
Am Wochenende sind ein paar Freunde von mir nach Berlin gefahren. Ich war in Braunschweig. Doch – Berlin war an diesem April-Wochenende in unserer Stadt! Sagen wir: Der Geist einer ganz bestimmten Berliner Szenekultur wehte durch Braunschweigs Clubs und daher ergab sich für Kult-Tour Braunschweig die Möglichkeit, sich sozusagen auf „Neuland“ zu wagen. Auf musikalisches Neuland! Zwei renommierte Electro-DJs aus Berlin bespielten zwei grundverschiedene Clubs. Und es bewies sich wieder einmal: Musik verbindet. Und: Die Electroszene ist tiefer in Braunschweig verwurzelt, als manche in Berlin möglicherweise annehmen! Hier mein erster Bericht über die Electrolandschaft der Region und eine rasante Kult-Tour mit DJ Alfred Heinrichs!
Text: Stefanie Krause | Foto: Jens Bartels/JayBePhotography
DJ Alfred Heinrichs ist in Braunschweig. Das ist mir ein willkommener Anlass, einen ersten Bericht über ein Thema zu schreiben, welches Anja Sniehotta für Kult-Tour Braunschweig vorgeschlagen hat. Ihr Herz schägt für elektronische Beats und Melodien und von ihrer brennenden Leidenschaft habe ich mich schon ein bisschen anstecken lassen. Wo steckt also die Kultur hinter diesem omnipräsenten Begriff des „Electro“? Wie kristallisiert sich Szenekultur heraus und wie grenzt sich diese vom Mainstream ab? Und vor allem frage ich mich: Was macht die Szene insbesondere in Braunschweig aus und wo verstecken sich in unserer Stadt die Adressen, die sich für eine elektrisierende Kult-Tour lohnen? Diese Fragen lassen sich nicht so leicht beantworten. Doch es gilt: Nicht verzagen, Anja fragen. Die Fotografin und Künstlerin ist in der Szene deutschlandweit herumgekommen und hat bereits einige Szenegrößen abgelichtet. Auch DJ Alfred Heinrichs hat sie schon in Berlin und Stralsund fotografisch begleitet und daher ist die Freude um so größer, dass er nun auch nach Braunschweig kommt. Anja bewaffnet sich also mit dem Fotoapparat, ich mit dem imaginären Schreibapparat und los geht es schon am Freitag, den 11.04.2014 – ins Steigenberger Parkhotel. „Hm, luxuriös“, denkt ihr jetzt vielleicht, und dabei: „Hmpf, das Steigenberger ist nicht unbedingt die erste Raveadresse unserer Stadt“. Stimmt, hier wollen wir auch nur jemanden abholen und fühlen uns dabei wie die letzten Groupies, als uns der ziemlich wichtige Concierge zunächst recht kritisch beäugt, um es mal sachte auszudrücken. Wir hätten vielleicht doch den teuren Pelzmantel und die Designer-Sonnenbrille als Partygarderobe wählen sollen, um uns dann anschließend auf der Wallstraße irritierten Blicken auszusetzen. Denn dort wollen wir hin. Unsere erste Adresse ist das Roxx, sobald wir DJ Alfred Heinrichs aus seinem Braunschweiger Hotelzimmer abgeholt haben. Mein leichter Groll über den sehr gewissenhaften Hotelangetellten verfliegt sofort, als wir dann endlich Alfred Heinrichs oben antreffen, denn der amüsiert sich ebenso wie wir über diese anfänglichen Schwierigkeiten. Seit den 90er Jahren beschäftigt sich Alfred Heinrichs mit Techno und der DJ und Owner gleich mehrerer Label hat sich mit der Zeit einen Namen in der Electro-Szene gemacht. Hautnah erlebte er die Aufbruchstimmung der 90er Jahre und trägt seitdem den revolutionären Geist der Geburtsstunde des Techno in zeitgemäßen Musik-Kreationen weiter. 1997 veröffentlichte er seine erste Platte und unzählige Projekte folgten. Inzwischen betreibt Alfred Heinrichs die erfolgreichen Label supdub, supdub digitales, moonplay und supfree und am heutigen Tag kommt Braunschweig in den Genuss seiner Kunst.
Der Berliner DJ legt an diesem Freitag im Roxx auf, aber er weiß noch nicht so richtig, wie ihm geschieht. Denn wir stellen ihm das Roxx nicht unbedingt als DEN Laden vor, wohin die hiesige Electroszene pilgert. Aber auch wir sind gespannt, keiner von uns war jemals zuvor im Roxx – in diesem Laden in direkter Nachbarschaft des Privileg. Mit großen Erwartungen und leicht-mulmigem Gefühl im Bauch machen wir uns mit Alfred Heinrichs auf den kurzen Weg vom Steigenberger ins Partyviertel. Gefolgt werden wir von Alfreds silbernem Roll-Koffer, der das DJ-Kulturgut sicher transportiert und stets sein treuer Tour-Begleiter ist. Als wir dann schließlich im Roxx ankommen, sind wir positiv überrascht und die in unseren Hinterköpfen schlummernden Vorurteile lösen sich recht schnell in Luft auf. Sowohl die Mitarbeiter am Eingang, wie auch die Thekenkräfte kommen uns authentisch, natürlich und zuvorkommend entgegen und im Laden selbst lässt sich an diesem Abend die befürchtete Chici-Mici-Attitüde suchen. Dafür fällt uns die Optik des Ladens angenehm auf. Nichts strahlt hier ein Zuviel an übertriebem Möchtegern-Style aus. Der Laden ist sauber, aber nicht zu glattgebügelt. Die hohen runden Steinwände des mit dem Thekenraum verbundenen Tanzbereichs erinnern an die Optik eines Bunkers. An einigen Stellen sind Stücke der Wandfarbe abgeplatzt. Diese kleinen, durchaus gewollten Details kommen durch die gelungene Beleuchtung des Roxx gut zur Geltung und geben dem Club urigen Charme. Doch am wichtigsten für eine Nacht wie die heutige ist der Sound. Sobald Alfred sich am DJ-Pult eingerichtet hat und aufdreht, erkennt man die im Roxx schlummernde Qualität. Im neu gestalteten und frisch renovierten Club ist eine sogenannte „Function One Musikmaschine“ eingebaut. Eine solche Anlage findet man sonst in bekannten Electro-Tempeln wie dem Berghain in Berlin oder dem Space auf Ibiza – und in der Tat: Das hört man! Die Musik ist laut, aber nicht übersteuert, Höhen und Tiefen grenzen sich sauber voneinander ab. Heinrichs Stil kommt mit diesem Klangapparat grandios zur Geltung, denn die Tracks können hier ihren vielschichtigen und dabei gleichzeitig minimalistischen Charakter voll entfalten. Die für Heinrichs typischen Gesangsamples schweben wie aus einer fernen Welt in einwandfreier Qualität über den pumpenden Electrosound. Obwohl die Melodien der Tracks mitten ins Herzzentrum treffen und die Gäste in euphorische Tanzstimmung versetzen, bleibt Heinrich dem Minimal Techno treu. Metallisch klar gesetzte Beats im 4/4-Takt treiben uns zur völligen Verausgabung auf der Tanzfläche. Mir gefallen vor allem die Anleihen an einen mir vertrauten Sound aus dem Sektor der elektronischen Musik, den ich bisher favorisierte: Denn hier und da fallen die Songs von Alfred in düster-kalte Tiefe, die mir vielmehr aus dem Dark Electro und dem minimalistischen EBM der 80er bekannt ist, als von meinem kurzen Exkurs in die technoide Welt damals in den 90er Jahren. Während ich noch in Reflektionen über Einflüsse und Entwicklungen des Minimal Techno festhänge, entsteht plötzlich ein ganz besonderer Moment, der uns alle verbindet. Alfred spielt „Where Are You Now“ und augenblicklich treffen wir uns alle auf der Tanzfläche. Egal welcher Szene wir angehören oder einmal angehörten, wir sind hier und tanzen. „Here we are now – in peace and unity“.
Elektrisiert von einer ausgelassenen Nacht lassen wir die Party dann auch gemeinsam ausklingen, indem wir Alfred Heinrichs noch das Pantone und anschließend den Brain Club zeigen, welcher definitiv als Elektroladen Nummer 1 in Braunschweigs traditioneller Partykultur anzusehen ist. Daher wundert es kaum, dass wir schon am darauffolgenden Abend einen Termin im Brain fest vorgemerkt haben: Ein DJ ist hier am Samstag zu Besuch, den vor Ort wohl nahezu jeder kennt: Oliver Koletzki. Im Brain Club begann seine steile Karriere und nun ist es wieder Zeit für den regelmäßigen Heimatbesuch. Uns erwartet ein vielversprechender Stil vor Talent-Abend, an dem Oliver Koletzki sein neues Album „I am OK“ vorstellen wird. Diese Kult-Tour ist seit Wochen fest bei uns eingeplant und ihr lest davon im zweiten Teil unserer Electro-Kult-Tour.
Bei Alfred Heinrichs bedanken wir uns für den tanzreichen Abend und wünschen uns ein Wiedersehen und Wiederhören in Braunschweig und bei Kult-Tour!