
Christina Lux: „Wege entstehen da, wo man sie geht. Ich lauf‘ schon mal los!“
Christina Lux gab am 13.03.2014 ein Konzert in der Brunsviga – ich traf sie zu einem Gespräch.
Interview: Alkmini Laucke | Foto: Presse
Einnehmendes Charisma
Da war sie nun: ein Gesicht, fein und gleichzeitig verbindlich im Ausdruck mit einem einnehmenden Charisma. Anmutig, von zierlicher Gestalt, mit ausdrucksvollem Blick, einem Blick, der auf den Grund geht, sich jedoch dabei nie aufdrängt. Eine warme, sanfte aber gleichzeitig feste Stimme spricht mich an. Wir waren zum Interview verabredet, aber das trifft es eigentlich nicht. Es war ein Gespräch – warm, intensiv, geerdet. Ein Geben und Nehmen. Sie erzählt vom Beginn ihrer Karriere in den 80ern, in denen sie in einer Band als Rock-Sängerin anfing. Dieses jedoch ruinierte fast ihre begnadete Stimme. „Ich wollte es unbedingt und war todunglücklich und hab‘ nur gedacht: wenn ich die nicht mehr hinkriege, was mache ich denn dann?“, fügt sie hinzu. Die Lux wusste trotz kurzzeitig beschädigter Stimmbänder, dass Musik sie auch in der Zukunft begleiten würde. Sie verließ die Schule ohne Abitur und nahm bei einem “wunderbar eigenen Opernsänger“ Unterricht, wie sie von ihm sagt: Er baute ihr Kapital erst wieder auf, diese unverwechselbare Stimme, um dann ihr „Stimm-Material“ gesangstechnisch so stabilisierte, dass sie zur andauernden Flexibilität in der Stimmführung in der Lage ist. Auf meine Frage nach ihrer Stimmlage antwortete sie mit trockenem Humor: „Früher war ich wahrscheinlich Tenor, und dann war ich irgendwann Alt.“ Bezüglich der Gitarrenkenntnisse beschreibt sie sich als „komplette Autodidaktin“.
Wer so textet, spielt, ausdrückt und lebt, hat etwas zu sagen
Nach einer langen Pause trat sie im Duo wieder mit leisen Tönen auf. Bei einem Konzert wurde sie von einem Bandmitglied der Julia-Neigel-Band angesprochen, ob sie als Backgroundsängerin mit auf Tournee wolle. Studioarbeiten mit Edo Zanki und Jon Lord u.v.a. folgten. Weitere berühmte Namen aufzuführen, mit denen sie einst arbeitete, das hat sie nicht nötig – denke ich.Ja, der Weg war mühsam, aber „die Lux“ wusste, wo sie hin wollte und sie kam dahin. Heute steht sie für sich. Sie ist für mich besonders. Wann, wie und warum? Als ich mal Kummer hatte, postete ein Freund mir ihren Song „Satt lieben“. Noch nie erlebte ich eine derartige Berührung durch Stimme und Text mit minimaler instrumentaler Begleitung. Wer so textet, spielt, ausdrückt und lebt, hat etwas zu sagen, das war mir gleich klar. Nun hatte ich die Gelegenheit, sie zu sprechen, „der Lux“ zu lauschen.
Ich will einfach nur wissen, wo du jetzt bist und was dich beschäftigt
Beeindruckt von ihren Allroundfähigkeiten wie Texten, Komponieren und Singen fragte ich eingangs nach ihrer Schule, ihren Lehrern. Ich wurde eines Besseren belehrt, denn es ist nämlich viel mehr als das: „Mach‘ und lass raus“, als „studier‘ und warte, bis du in der Technik perfekt bist“, sprengt es aus Christina Lux heraus. „Ich war damals mutig und bin einfach raus gegangen.“ Berichtet sie. Heute gibt sie zudem Songwriting-Workshops. Sie sagt, dass es eigentlich sehr einfach sei, Songs zu schreiben. Sie erklärt es so: „Wenn du jemanden da abholst, wo er mit seinen Möglichkeiten ist, stellst du schnell fest, dass jeder Mensch eine ganz eigene Ausdrucksform hat. Wenn du den Leuten dann Mut machst und ihnen nahe bringst, dass man nicht erst fünf Jahre studieren muss, bevor man überhaupt einen Ton singen oder spielen darf und du ihnen sagst: Ich will einfach nur wissen, wo du jetzt bist und was dich beschäftigt – Dann kommt die Person im besten Fall mit ein paar Worten oder Zeilen oder ein paar Akkorden und dann wird es spannend, alles zusammen zu bringen.“ Es ginge ihr darum, einen Weg zu eröffnen, indem sie Anregungen zum assoziieren gibt oder Worte erfragt, die dem Teilnehmer auf der Seele brennen. Ihr Anspruch bestehe ausdrücklich nicht darin, dass die Teilnehmer lernen so zu schreiben wie sie, vielmehr leite sie diese dazu an, den Faden in ihre eigene Geschichte aufzunehmen.
Lux erzählt im warmen und empathischen Ton, dass die Geschichten sie oft sehr berühren. Es ginge dabei fast immer um eine individuelle Suche und den Versuch dieser Suche, Ausdruck zu verleihen. Sie fügt bescheiden hinzu: „Ich mache immer nur den Raum auf.“ Die Frage, die sich mir aufdrängt ist, wie sich das mit dem Aufschreiben eines Songs ohne Notenkenntnisse verhielte. Sie antwortet leicht und trocken: „Ich muss es eben so oft spielen, bis ich es mir merken kann.“
Hier ist der Raum, trau dich dort hin zugehen
Sie spricht in tiefem Respekt von den menschlichen Dingen: „Menschen sind sehr kreative Wesen. Wenn wir keinen Ausdruck dafür finden, was in uns los ist, macht uns das manchmal stumpf. Kinder sind ein leuchtendes Beispiel dafür, aus einfachen Dingen etwas Tolles zu machen. Als Erwachsene vergessen wir das leider zu oft.“ Lux fühlt und denkt allumfassend und sieht dahin, wo die Räume für Kreativität in unserer Gesellschaft rar geworden sind, wo Leistung und Funktionieren nach vorne gerutscht sind „Wenn du einem Menschen Raum gibst und ihm etwas zutraust und Interesse hast an dem, was in ihm steckt, dann kommen tolle Sachen ans Licht. Das Öffnen für Kreativität ermöglicht es Menschen, viel schneller zu lernen und klarer zu sehen, was wirklich gut für sie ist. Ist der Raum zu eng, dann entsteht Motivationslosigkeit. Das passiert in unseren Schulen leider so häufig, dass wunderbare Möglichkeiten nie zum Vorschein kommen.“– Wer kann da widersprechen?
Und sie geht ihren Weg
Frei nach Kafka fügt sie hinzu: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ Christina Lux ist ihren ganz eigenen Weg gegangen. Es lief nicht über den Kopf. Ihre erste Triebfeder war die Suche nach einer Wahrheit unter all den Gedanken, einer Klarheit, einem Zuhause. „Meine Gitarre und ich gingen in eine Art Dialog, als ich anfing zu schreiben. Die Klänge inspirierten mich, und brachten mich ganz nah an das, was mir auf dem Herzen lag. Ich hab zu Anfang nicht nachgedacht, ob ich das kann, ob ich gut bin, sondern viel eher war da so ein Gefühl, hier könnte ein Schlüssel sein – zu mir hin.“ Doch was machen die, die Musik nicht praktizieren können oder mögen, die womöglich ihre Musik als Brücke zu sich entdeckt haben? Sie fährt fort: „Um etwas fassen zu können, muss ich hinsehen. Wenn ich es wage, – und das ist das großartige an Musik, Film und Kunst – ein Gefühl so einzufangen und hörbar oder sichtbar zu machen, dass es beim Hörer wirklich Dinge zu bewegen beginnt, dann hab ich ihn erreicht. Das ist etwas Wunderbares. Ich glaube, dass es etwas gibt wie eine tiefe, innere Wahrheit. Etwas, dass jeder empfinden kann. Die Kunst ist es, das fühlbar zu machen, vielleicht ein Gefühl des Ankommens zu erzeugen, an einem Ort, an dem alles von einem abfällt und sich zeigen kann, was ist.“
Alte Stücke – Meilensteine
Wie sie heute über die alten Songs denke, frage ich sie. Wenn sie alte Stücke höre, könne sie sagen: „Wow, das waren Meilensteine, die mich von einem Punkt zum nächsten gebracht haben“. Sie findet immer wieder zurück zu dem Ausspruch Kafkas: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Also immer wieder loslaufen. Den Mut nicht zu verlieren, so Lux, sei die größte Herausforderung. Ob sie der Versuchung, nicht loszulaufen mal erlegen sei, möchte ich wissen. „Ja. Es braucht immer Ruhepunkte und innere Klärung, ob der Weg noch dem entspricht, was einem gut tut. Manchmal ist man mutlos und muss einfach stehen bleiben. Zeiten dieser Ruhe in meinem Leben habe ich mir zu oft nicht erlaubt. Als Musikerin, die ausschließlich eigene Songs macht und ihre ganze Organisation selbst macht, musste ich lernen mir Pausen zu geben, in denen es sich nicht ständig um die innere Welt oder die Organisation dreht.“
Es kostet mehr Kraft, Dinge nicht anzusehen, als sie anzusehen.
Durch Musik habe sie sich kennen gelernt, verrät mir Christina Lux. Immer wieder: Einverständnis finden mit dem was ist. „Für viele Menschen ist Hoffnung etwas ganz wichtiges. Irgendwann las ich in einem buddhistischen Buch: Vergiss das mit der Hoffnung, vor allem das, mit der Hoffnung auf einen guten Ausgang. Du bist so nie anwesend. Das hat mich zuerst völlig irritiert. Irgendwann habe ich verstanden, wie lähmend es sein kann, ausschließlich in Hoffnung zu leben, weil man dadurch in einem Zustand ist, in dem man ständig wünscht, es wäre anders. Das strengt an. Wenn ich mich einverstanden erkläre mit dem was ist, dann entsteht ein Moment Frieden, der Kraft freimacht dafür, dass sich Dinge vielleicht doch ändern lassen. Jeder meiner Songs ist so entstanden, dass der Song hinschaut und mich über die Musik direkt auf die Ebene bringt, die wirklich stimmt. So kann ich nicht analysieren und denken, sondern kann sehen, was wirklich los ist. Durch den Song kommen die Dinge in Bewegung und die alten Schichten brechen auf. Der Song holt das, was tiefer liegt, ans Licht. Es kostet mehr Kraft, Dinge nicht anzusehen, als sie anzusehen.“ So vermutet sie hier die Motivation vieler Künstler. Im Song darf alles sein: Die ungesagten Dinge, die ungeweinten Tränen, die nie geschriebenen Sätze, nie getraute Geständnisse. Dingen einen Platz zu geben, die sonst eher selten Raum im Leben haben, das sei ihre Intention. Und das Publikum? Was sind das für Leute? „Ganz unterschiedliche Menschen. In jedem Falle sehr aufmerksame Lauscher. Manche sind überwältigt, dass es sie so berührt hat, andere wissen schon, was sie bei mir finden können“, antwortet Christina Lux. Über das Feedback ihres Publikums möchte ich von ihr erfahren. „Manchmal kommt jemand nach dem Konzert, den ich an einem Punkt offensichtlich sehr erreicht habe und bei dem tiefe Dinge in Bewegung sind. Das berührt mich sehr. Ich empfinde es als ein großes Geschenk und so scheinen es auch die Hörer zu empfinden. Das freut mich sehr. Musik lässt einen den ganzen Weg durchgehen. Ich denke, wenn man sich zeigt, dann sieht sich auch der Andere und genau das macht es so intensiv. Das ist es, was ich an Musik so liebe. Sie bringt uns zum Weinen und zum Lachen. Worte und Musik so zusammen zu bringen, dass sich ein Anderer darin erkennt, ist magisch.“
Am Ende geht es immer um Liebe
Ihre Songtexte fasst Christina Lux als eine Art inneres Gespräch auf. Meist sind es Betrachtungen über die kleinen und großen (Un-)Tiefen der menschlichen Dinge, das Miteinander und das Missverstehen, über den Mut, das Ankommen, das Reisen und die Liebe, vor allem zu sich selbst. Sie erklärt: „Am Ende geht es immer um Liebe und darum, wie wir uns selbst zu schätzen lernen. Auf dem Sockel steht alles, von dort schauen wir in die Welt. So, wie wir uns selbst schätzen, können wir andere schätzen. Es beginnt immer mir einem selbst. Oft ist in der ersten Kiste in unserem Leben, auf der Liebe drauf steht, gar keine Liebe drin. Wir lernen Liebe so, wie wir sie erlebt haben. Meist in der Form, das sie nur mit Bedingungen funktioniert. Wir leben ein Drehbuch, weil wir nur das haben und glauben, dass sie so ist, die Liebe. Und so wiederholt sich oft ein altes Muster so lange, bis wir es schaffen es zu unterbrechen. Irgendwann stellt sich die Frage, wie komme ich zu einer Liebe ohne Bedingungen, ohne Bewertung, ohne den alten Affen Angst, der immer wieder fragt, ob ich auch genüge. Ich denke, man muss sich sehr ehrlich selbst betrachten lernen, viel Geduld haben mit sich und liebevoll betrachten lernen. Und damit aufhören, den anderen für die eigenen Empfindungen verantwortlich zu machen. Dann wird sie frei die Liebe und will nichts als Gegenleistung. Sie fließt.“
Musik als Gefährt für die Reise
„Musik reflektiert, bewegt und schubst uns in unser Innerstes. Mal sanft, mal weniger, wenn sie uns berührt. Songs sind wie Wegbegleiter. Manche bleiben lange, andere gehen bald wieder. Sie sind wie ein Gefährt, dass dich auf eine Reise mitnimmt. Sowohl für den Lauschenden als auch für den Schreiber.“