
„Hadi tschüss. Von der Oker an den Bosporus.“ Kyra Mevert in der Kaufbar
Schon lange her, aber nicht vergessen ist sie, die Lesung „Hadi Tschüss“ von Kyra Mevert. Am 27.10.2017 fand sie in der DRK Kaufbar statt. Mein zweiter Besuch in diesem Lokal. Ich schwang mich den Bus und die Straßenbahn, um um 18 Uhr anzukommen. Der große Veranstaltungsraum war bereits gut gefüllt und ich wurde herzlich von einer Dame empfangen, bei der ich Eintritt bezahlte. Einen Stempel gab’s noch und dann ging es los.
Text: Jacqueline Schwaneberg | Foto: Martin von Hoyningen Huene
Auf der Bühne war bereits alles aufgebaut. Während ich auf meinem Platz wartete, versuchten einige Menschen vor mir, einen Projektor mit einem Buch improvisiert abzudecken. „Was das wohl mit der Lesung zu tun haben wird?“, dachte ich. Zwar sah ich bereits in der Kulturnacht dieses Jahr eine kurze Lesung, doch eine alleinstehende, vollständige Lesung besuchte ich noch nie. Irgendwie war es also eine Premiere. Einen Projektor erwartete ich nicht, genau so wenig einen Herren mit Gitarre.
Kyra Mevert, deren Geschichte es ist, welche wir zu hören bekommen sollten, betrat schließlich die Bühne. Sie begrüßte uns kurz und lag direkt los. Es begann – und hier löste sich das Rätsel auf – mit dem Projektor, welcher ein Video an die der Bühne entgegengesetzte Wand warf. Eine kleine Einführung, ein Appetizer, würde man in der Gastronomie sagen.
Dann richteten wir unseren Blick zurück auf die Bühne, auf der Kyra mit Mikrofon saß. Hinter ihr saß Feridun Öztoprak, welcher nicht nur Gesprächspartner in Dialogen, sondern auch musikalischer Begleiter für Kyras Geschichte war. Nach einiger Zeit lud Kyra ihre Wegbegleiter auf die Bühne: Skadi Sturm und Musa Erdem. Skadi ist eine Freundin, welche sie erst kurz vor ihrer gemeinsamen Reise kennenlernte. Musa ist Besitzer ihres Stammkiosks, welcher das Vehikel bereitstellte, welches das Reisen erst ermöglichen sollte. Doch welche Reise? Wohin? Und warum überhaupt?
Die Voyage führte Kyra in die über 2000 Kilometer entfernte Türkei, wo sie ihren Vater kennenlernen wollte. Keine einfache Sache. Nicht allein wegen der Entfernung physikalisch schwer, sondern unter Anderem wegen des „ich fahre jetzt mal meinen leiblichen Vater kennenlernen“-Teils vor allem emotional schwer. Sie fuhr also einige Tage lang mit fast fremden Menschen zu ihrem ihr fremden Vater. Davon erzählte sie ihren Gästen dieser Lesung.
Die Überleitungen zwischen verschiedenen Segmenten der Lesung wurden hin und wieder von Feriduns Gitarrenspiel untermalt. Durch die Klänge bekamen wir, zusätzlich zu den Worten, ein Gefühl von dem, was Kyra auf ihrer Reise gefühlt haben muss. Und es war schön, weil es sich so fragil anfühlte und dadurch so echt. Besonders das Fremdheitsgefühl und das des Deplatziertseins in der eigenen Heimat, welches durch die Erzählung herübergebracht wurde, bekam durch die Musik mehr touch. Die Interviews von Kyras Mitstreitern zeigten die Geschichte von einer anderen Perspektive, welche ebenfalls interessant war, da alles von allen erlebt wurde. Nur anders. Es war sehr aufschlussreich, diese unterschiedlichen Blickwinkel zu erfahren!
Zu meiner Überraschung war die Lesung schon nach einer Stunde vorbei. Ich hatte den Gedanken, dass die Erzählung ein ganzes Buch hätte füllen können. Die Kaufbar verließ ich mit einem etwas nachdenklichen Gefühl, denn: die Lesung regte zum Nachdenken über die eigene Familie an. Doch es war ein bittersüßes Gefühl, denn das Nachdenken war etwas Gutes … und die Lesung sowieso. Schön war’s! ♥