
Friede, Freude, Lichtparcours. Mit Musik!
„Warum war ich nur Gestern schon so lange in der Weltgeschichte unterwegs“, denke ich schuldbewusst beim nicht ganz so morgendlichen Aufstehen. Mein Körper möchte sich noch nicht so gern bewegen lassen und zickt mich ein wenig an. „Nein, dass muss jetzt!“, weise ich ihn unnachgiebig zurecht, „ich möchte doch heute filmen.“ Es ist Samstag, der 27.08.2016, und der Sommer ist plötzlich nach Braunschweig zurückgekehrt. Also war ich die letzten Tage bereits im Heidbergsee schwimmen, bin gestern mit der Critical Mass mitgefahren, habe anschließend eine Spontantour zu den Installationen Satelliten, Cast, Flashback, und M-Sphären (Seyfert 2) des Lichtparcours gemacht und kehrte letztendlich zur Aftershow des Konzerts in der Klaue ein. Braunschweig, du machst mich fertig. Wie schön! Am schönsten ist, dass ich heute wieder mit einigen Freunden aus der illustren Truppe verabredet bin, die auch gestern schon tapfer mitgehalten haben. Und es sollen noch mehr Menschen dazukommen, vor allem: Musiker! Denn heute ist auf meine Initiative eine Musiksession im Park bei Löbbeckes Insel geplant.
Text: Stefanie Krause | Fotos: Markus Hörster
Dieses romantische Fleckchen wird Inselwallpark genannt und auch hier ist der Lichtparcours vertreten. Thilo Franks Arbeit You and I, wandering on the snake’s tail bietet die perfekte Kulisse für ein kleines Konzert mit Jamsessioncharakter. Soll heißen: keine offizielle Musikveranstaltung mit strengem Programm, kein Eintritt, jeder darf sich und sein Instrument mitbringen und sich ebenfalls an der musikalischen Gestaltung des Abends beteiligen. Den Anfang macht der Liedermacher Cosmo Thunder. Mit ihm habe ich diese erste Lichtparcourssession geplant und als ich völlig erhitzt im Park ankomme, sitzt der sympathische Musiker auch schon ganz entspannt mit seinen Freunden auf dem Rasen und stimmt seine Akustikgitarre. Es ist brüllend heiß und der Weg hierher war nicht ganz unanstrengend. Auch nicht ganz unanstrengend empfinde ich die laute Schlagermusik, die den Park weitreichend beschallt. Die Quelle des Unheils ist schnell erkannt. Unweit vom Kunstwerk hat eine Gruppe ihr Lager aufgeschlagen. Neben Grill, Bier und Blag haben sie einen kleinen Brüllwürfel mitgebracht, der für seine Größe erstaunlich Krach machen kann. Mit größter Diplomatie werfe ich mich in die Verhandlung, denn diese Lautstärke ist mit einem Akustikkonzert ziemlich unvereinbar. Etwas unwillig aber durchaus freundlich gibt mir der Häuptling der Crew großmütig ungefähr eine Stunde Zeit, um mein Konzert abzuwickeln. Später und nach einigen unwesentlich zähen Nachverhandlungen stellt sich aber heraus, dass wir uns bei etwas zurückhaltender Verstärkung ihrer Musik gar nicht so sehr in die Quere kommen. Also kann unsere Musiksession beginnen. Liebe Parknachbarn, auch wenn ihr das wahrscheinlich nicht lesen werdet: ich bin euch sehr dankbar, dass wir uns verständigen konnten. Daumen hoch!
Zurück zu meinem Projekt. Die Lichtverhältnisse haben sich in der Zwischenzeit sehr günstig für das Filmen entwickelt und es ist auch nicht mehr so schrecklich heiß. Wie von selbst lösen sich die anfänglichen Startschwierigkeiten in der seidigen Sommerluft auf und die inzwischen größer gewordene Gruppe macht es sich auf Picknickdecken gemütlich. Cosmo Thunder hat sich auf meinen Vorschlag hin mit seiner Gitarre direkt von der Holzinstallation platziert und legt mit kräftiger Stimme und kräftigem Griff in die Seiten los. Gleich bei den ersten Akkorden spüre ich die Magie, die den Abend ab diesem Zeitpunkt umfasst. Thilo Franks Installation wird zu einer ganz speziellen Bühne. Während Cosmo Thunder mit seiner ganz natürlichen Ausstrahlung seine Lieder spielt, passiert etwas mit diesem Ort. Kunst und Leben treffen aufeinander und verschmelzen zu einem Ganzen. Hinter dem Musiker ragt die Installation mit ihrer eckigen Präsenz in den Himmel hinauf. Zwar durchbrechen der flirrende Moirée-Effekt, der zwischen den Holzbalken entsteht, und auch die Veränderung des Lichts durch unterschiedliche Sonnenstände und den Wechsel von Wolken und blauem Himmel die statische Wirkung der Arbeit. Jedoch bewirken die harten Kanten und spitzen Winkel der 44 Holzrahmen, aus denen die begehbare Arbeit des Berliner Künstlers besteht, dass das Kunstwerk vor allem bei Tageslicht eine fast sperrige Härte ausstrahlt und auch auf gewisse Weise unnahbar wirkt.
Doch es entsteht ein reizvoller Kontrast zwischen dem ungezwungenen Musikpicknick und dem Kunstwerk. Alles fügt sich wie von selbst, Cosmo Thunder stimmt ein Lied nach dem anderen an. Seine Musik mit erzählerischen deutschen Texten über Alltag, Liebe und das Leben eben kommen an – und ziehen an! Eine Gruppe trägt eine Parkbank zum Geschehen, eine chinesische Familie wippt mit der Musik mit und vier junge Mädchen kriegen große Augen, als sie hören, dass hier auch ein Film für YouTube entsteht. Auf meine Einladung hin ziehen auch sie ihre Decke zu uns und nach dem YouTube-Kanal von Kult-Tour wird sofort auf dem Smartphone recherchiert. Am Ende des Konzerts schenkt uns ein Mädchen mit Kopftuch ihre restlichen Kekse und ich bin fast zu Tränen gerührt, da dieser Abend nach den anfänglichen Startschwierigkeiten doch noch so harmonisch geworden ist. Nach Cosmo Thunders Auftritt klinkt sich Timo ein, der auch die Gitarre mitgebracht hat. Eine kleine Jamsession entwickelt sich. Genau so habe ich mir das gedacht! Bis zum Schluss werden Leute auf uns aufmerksam. Zum Beispiel Emma. Sie besucht gerade ihre Familie in Braunschweig und hat bei uns auf dem Stadtblog von diesem Treffen gelesen. Sie wird sogleich in die „Peer Group“ integriert und anschließend noch zum SummerVibes Festival auf dem Vorplatz der Hochschule für Bildende Künste und zum Sommerfest auf dem Wagenplatz mitgeschleppt. Als es dunkel geworden ist, bekomme ich tatschlich noch eine Nachricht von einem Musiker, der uns ein wenig zu spät im Inselwallpark gesucht hat. Er hat dann kurzerhand mit seinen Freunden die Session weitergeführt, als wir schon gar nicht mehr da waren. Aber für ein erneutes Zusammenkommen ist es nicht zu spät. Bis zum 22.09. geht der Lichtparcours noch und wir sind uns einig: Eine Musiksession wollen wir bei einem Standort des Kunstrundgangs auf jeden Fall wiederholen! Danke an alle, die bei diesem perfekten Sommerabend mit dabei waren und die die wunderschöne Stimmung mitgetragen haben!