
First Time Festival. Auf Kult-Tour zum Impericon in Leipzig

Ich wurde jetzt schon ein paar Mal gefragt, warum ich ausgerechnet auf dem Impericon Festival in Leipzig als Braunschweiger Bloggerin unterwegs bin. Und: was das nun mit unserer Region zu tun hat. Ihr glaubt es vielleicht nicht: aber unterwartet viel.
Text und Fotos: Stefanie Krause
Es fängt schon damit an, dass ich nach einer entspannten Zugeise in das von Braunschweig nur 2 bis 3 Stunden Bahnfahrt entfernte Leipzig anschließend in der S-Bahn auf eine Gruppe treffe, die auch zum Metal-Festival auf dem drei Stationen vom Bahnhof gelegene Messegelände wollen. Angeblich Engländer, flüstert – nein, trällert – mir die äußerst euphorische Schaffnerin Nicole zu. Also klemme ich mich beim Ausstieg hinter die Gruppe. In der Hoffnung, dass sie den genauen Weg wissen. Aber Englisch quasseln sie nicht, klingt wie Tschechisch, denke ich, und spreche sie einfach an. In der Tat, die Gruppe kommt aus Prag und weiß auch den Weg: geradezu, unweit von hier! Ganz einfach. Woher ich denn käme? Aus Braunschweig. Es folgt eine unvermittelt positive Reaktion. Ja. Kennen sie! Erst denke ich, es handelt sich um ein Missverständnis, doch diesen euphorischen Metalfans ist unsere kleine Niedersächsische Großstadt von Besuchen der Konzerte im Jugendzentrum B58 bekannt. Nein? Doch! Kein Witz. Na, das fängt ja blendend an. Erster Festivalkontakt und schon ist Braunschweig im Spiel. Unfassbar!

Wir freuen uns und das lockert meine Stimmung ungemein. Denn ich muss zugeben, ich bin vor solchen Reisen, auf denen ich mich alleine in unbekanntes Terrain vorwage, immer noch ziemlich aufgeregt. Da hilft es immer, spontan Kontakt zu Leuten aufzunehmen. Man muss ja nicht gleich das ganze Festival zusammen verbringen, aber an diesen Begegnungen hangele ich mich durch. Diesmal bis zum Eingang der Messehalle, in der heute von halb zehn Uhr morgens bis Mitternacht auf zwei großen Bühnen vor allem der Metalcore sein Unwesen treibt.

Im Vorfeld hatte ich mich gefragt, wie das hier wohl als Presseperson von statten gehen wird. Natürlich gibt es auf einem so großen Konzert wie dem Impericon einige Regeln zu beachten, die mittels der rege bespielten Internet- und Social Media Kanäle auch vernünftig kommuniziert werden. Lieber keine großen Rucksäcke, damit es schneller bei der Personenkontrolle geht, keine Getränke, kein Essen, äh…keine Regenschirme. Ich Idiot frage mich, ob die Ähnlichkeit meines Selfiesticks mit einem Regenschirm zum Problem werden könnte. Aber hey, ich bin als Presse akkreditiert, kriege ein Bändchen, mit dem ich auch Zugang zum Fotograben vor den großen Bühnen habe, darf mein gesamtes Equipment und auch Verpflegung mit reinnehmen und kriege auf meine Nachfrage, was ich dürfte und was nicht, eine sehr nette und ziemlich entspannte Auskunft an dem direkt am Eingang platzierten Pressezelt.

Das Festival-Team erweist sich auch den gesamten Abend über als sehr locker und sympathisch und ich beteuere mit einem inzwischen sehr fröhlichen Augenzwinkern, dass ich meinen Selfiestick nicht als Waffe benutzen werde. Also: ich bin drin, das hat geflutscht! Nun, und auch wenn ich den Rucksack irgendwann loswerden will: direkt am Eingang befindet sich hier eine übersichtliche Garderobe mit vertrauenserweckend ausschauendem Personal. Das Messegelände in Leipzig empfängt seine Besucher mit einer guten Infrastruktur und einer einladenden Aura. Das fällt vor allem auf, wenn man an die Hannoveraner Messe gewöhnt ist. Sorry, liebe Nachbarstadt Hannover, aber da punktest du ausnahmsweise nicht bei mir, mit deiner Konzertszene schon, aber dazu ein anderes Mal mehr.

Für das Impercion habe ich nur einen groben Plan, welche Bands ich mir anschauen will, denn es ist auf den ersten Blick keine dabei, die ich übelst dringend sehen muss, obwohl das Line-Up auf jeden Fall hochkarätige Acts aufzuweisen hat. Aber ich finde das Festival gerade spannend, weil es eben viel Neues für mich birgt. Deswegen ist es auf die Liste der Konzerte und Festivals gerutscht, für die ich mich als Bloggerin angeboten habe. Schließlich habe ich die Metal- und Hardcoreszene aufgrund von kulturell und musikalisch etwas anders gelagerten Interessen während der letzten Jahre nicht so intensiv beobachtet. Ihr müsst nur einen Blick auf diesen Blog werfen und ihr findet vielfältige Spuren meiner Leidenschaft für zum Beispiel Jazzmusik und Kunst. Was jedoch nicht viele von euch Kult-Tour-Lesern wissen können: ich stamme ursprünglich aus der Metalszene, bin mit dieser Musik aufgewachsen und bin seit dem Konzert von Ling Distance Calling im letzten Dezember (hier ist der Bericht) wieder voll angefixt. Das passiert alle paar Jahre wieder! Eine Art Revival, für mich aber nicht im nostalgischen Sinne. Ich hab‘ eher Bock auf frische Inspiration! Und die gibt es derzeit viel.

Festivals feiern überall einen Aufschwung und es gibt einige Bands, die auf interessante Art und Weise harte Metalmanier melodisch collagieren und dazu Texte kombinieren, die von dem ewigen Kampf in einer sehr individualistisch geprägten Welt erzählen. Ihr wisst schon: von der schwierigen Suche nach Liebe und nach sich selbst. Die Inhalte haben sich seit der blutig-ironischen Geschichten von Kultgestalten wie Eddy von Iron Maiden definitiv ein wenig gewandelt. Auf dem Impericon habe ich zum Beispiel Being As An Ocean für mich entdeckt. Die Band aus den U.S.A. klingt in meinen Ohren nach Dregd auf Metalcorepfaden. Sehr geil, sehr emotional, sehr dicht, sehr intensiv!

Der Schwerpunkt des Impericon liegt jedoch auf Metalcore und Hardcore, aber auch das ganz harte Death-Metal-Brett, moderner Crossover, ein paar entspannte Akustikshows und sogar alte Helden des deutschen Punkpop wie die Donots sind dabei und gestalten das Programm damit sehr abwechslungsreich. Die Donots reißen sympathisch selbstironisch Witze über ihren Außenseiterstatus zwischen den ganzen bösen Metalbands, die dazu auch noch fast durchweg viel jüngeren Baujahres sind. Aber sie beweisen, dass sie in rund 25 Jahren Bandbestehen viel Erfahrung gesammelt haben. Denn wer kriegt es schon so souverän hin, dass sich wirklich fast alle bis zur hinteren ebenfalls gut besetzten Messetribüne hinknien, um gemeinsam auf Aufforderung der Band hochzuspringen?

Ich habe versucht, mir das Festival aus verschiedenen Perspektiven anzuschauen, möglichst viele Ecken zu erkunden und viele verrückte Typen zu treffen. Dafür ist es vorteilhaft, alleine unterwegs zu sein. Du hast einfach die Freiheit, ganz deiner Intuition zu folgen und dich treiben zu lassen. Ich schlendere also offenen Auges durch die riesige Halle mit Biertränken, Merchständen sowie einem Friseurzelt, wo man sich Haupthaar und – wer hat – auch den trendigen Bart richten lassen kann, und dümpele ein bisschen durch den Außenbereich, wo es Essensstände und unter anderem eine Live-Karaoke-Bühne gibt.

Und wie es das Schicksal so will, lerne ich bei diesem neugierigen Rundgang kurz vor dem Auftritt von Being As an Ocean eingefleischte Fans der Band kennen. Wir tun uns spontan zusammen, laufen zur Bühne, lassen uns vom emotionalen Sound gemeinsam zu Tränen rühren und tragen uns auch den restlichen Abend zuverlässig durch das Geschehen. Gemeinsam auf einem Metalfestival heulen ist doch wirklich ein vielversprechender Start einer Freundschaft! Die kleine Truppe ist wie viele hier von weit her angereist, sie kommen aus Stuttgart und vom Bodensee und wir verabreden uns immer wieder an unterschiedlichen Treffpunkten. Die Messenger laufen heiß und teilen aufgeregt mit: „Alter, wo bist du? Hinter dem Mischpult? Ey Mann, ich bin VOR dem Mischpult und werde dauernd von einer Wall of Death getroffen!!! (entsetzt dreinschauender Smiley)“. Ja, für solche Situationen ist das Smartphone Gold wert, man sollte nur nicht dauernd draufglotzen, sonst geht das Live-Feeling schnell verloren. Dennoch: das ist heute auch mein Job! Die emsige Suche nach guten Motiven zwischen der wabernden Menge und vorne im Fotograben in unmittelbarer Fühlweite zu den Bands bringt mir aber auch soziale Kontakte ein: einige machen Faxen im Hintergrund meiner Selfies oder werfen sich vor mir gekonnt in Pose. Ein paar verrückte, blinkende und durchweg genial freundliche Menschen habe ich auf Pixel gebannt. Eine schöne Erinnerung an ein tolles Festival, von dem ich nicht nur musikalischen Input sondern auch zwischenmenschliche Kontakte mitbringe. Wir haben uns schon für die nächsten Festivals und Konzerte verabredet!

Tja, und wie schließe ich diesen allerersten Auswärts-Festival-Bericht auf Kult-Tour der Stadtblog? Na, mit einer typischen Stefanie Krause Geschichte, die viel zu spät ihren Schlafplatz konkretisiert, deswegen nicht von Freitag auf Samstag (20.04.2019, dem Festivaltag!) in Leipzig Unterschlupf findet und demnach nicht wie eigentlich gewünscht den Opener Rising Insane um 10 Uhr morgens zu Gesicht bekommt (Mann, ich habe die sogar mit meiner Stimme auf das Festival gevotet). Dies ist ein Kaptiel der Geschichte einer immer mutigeren Solo-Konzertreisenden, die die gesetzten Ziele manchmal immer noch knapp verfehlt, sich deswegen gewünschte Erlebnisse selber vermasselt, aber auf ihren verpeilten Umwegen immer viel Neues erlebt.
An sich arbeiten bedeutet schließlich, sich überhaupt erstmal auf den Weg zu trauen. In diesem Sinne ermuntere ich jeden von euch loszulaufen und ganz neue Wege zu gehen, euch selbst zu überraschen und der Welt da draußen im Gegenzug die Möglichkeit zu geben, euch zu überraschen. Und auch wenn ihr dabei auf Umwege geratet, etwas verpeilt oder euch im letzten Moment etwas doch nicht traut, Keine Sorge: Es gibt bestimmt ein nächstes Mal. So kann ich auch Rising Insane trotzdem bald sehen. Sie spielen doch tatsächlich auf dem Ackerfest in Klein Vahlberg an der Asse, einer Top-Adresse in unserer Region für hartgesottene Open-Air-Fans und fleißige Konzertgänger (for free)!
Seht ihr: alles wird gut.
Eure Stef
