
Einmal HUGO bitte!
HUGO ist nicht nur ein Getränk, in Braunschweig bedeutet das Kunst! Denn in der Hugo-Luther-Straße 45 gibt es eine neue chice Galerie für zeitgenössische Kunst. Die Betreiber der Galerie HUGO 45 sind Hans-Joachim Helweg, seines Zeichens ebenfalls Künstler und handwerkliches Multitalent, und Phillip Pohl, Street-Art-Künstler und Designer. Beide haben richtig viel Mühe und Arbeit in dieses Projekt gesteckt und das sieht man auf Anhieb! Die HUGO 45 lädt ein in helle, weiß gestichene und professionell renovierte Galerieräume, die derzeit eine hochkarätige und absolut sehenswerte Ausstellung von Lela Ahmadzai beherbergen. Als ich ankomme, stehen die Besucher der Vernissage von „Highway of Conquest“ am 29.03.2014 bis zur – HAUSTÜR, muss man sagen, denn die Hugo 45 war mal eine ganz normale Wohnung. Die Betonung liegt auf war.
Text: Stefanie Krause | Fotos: Jens Bartels/JayBe Photography (erstes Bild: v.l. Philip Pohl, Lela Ahmadzai, Stefanie Krause, Hans-Joachim Helweg)
Wenn ich das Kürzel „HUGO“ höre, denke ich an zwei Dinge: Einerseits an die Hugo-Luther-Straße in meinem geliebten „Westliches Ringgebiet“ und andererseits an dieses end-hippe Szenegetränk mit…Holundergeschmack!? Betrachtet man diese beiden Assoziationen in Gegenüberstellung, bildet sich eine diametrale Figur heraus, die ich wie folgt bezeichnen könnte: „Ghetto versus Chici-Mici“. Das ist natürlich nur ein Gedankenspiel und höchst subjektiv und vielleicht kann mir hier schon niemand mehr folgen. Aber diese diametrale Figur spiegelt genau den Aspekt, der die Galerie HUGO 45 für mich so interessant macht. Sie liegt – das sagt uns schon der Name – in der Hausnummer 45 in der besagten Straße. Sagen wir es einmal so: Die Hugo-Luther-Straße am westlichen Außenrand der Innenstadstadt stellt nicht unbedingt das dar, was in Braunschweig als das beste Wohnviertel angesehen wird. Um es mal euphemistisch auszudrücken. Begibt man sich also auf einen Stadt-Spaziergang, der einen weit, weit weg vom „sicheren“ inneren Ringgebiet führt, scheint man auf der Hugo-Luther-Straße direkt gen Ghetto zu laufen. Doch stop! Hier liegt eine chice Galerie für zeitgenössische Kunst. Die Betreiber dieses neuen unabhängigen Kunstraums sind Hans-Joachim Helweg, seines Zeichens ebenfalls Künstler und handwerkliches Multitalent, und Phillip Pohl, Street-Art-Künstler und Designer. Beide haben richtig viel Mühe und Arbeit in dieses Projekt gesteckt und das sieht man auf Anhieb! Die HUGO 45 lädt ein in helle, weiß gestrichene und professionell renovierte Galerieräume, die derzeit eine hochkarätige und absolut sehenswerte Ausstellung beherbergen. Als ich ankomme, stehen die Besucher der Vernissage von „Highway of Conquest“ am 29.03.2014 bis zur – HAUSTÜR, muss man sagen, denn die Hugo 45 war mal eine ganz normale Wohnung. Die Betonung liegt hier auf war.
Jetzt ist die Wohnung zum extravaganten Kunstraum mutiert. Im Moment zeigt die Reporterin Lela Ahmadzai hier innerhalb einer multimedialen Installation gleich drei ihrer mehrfach ausgezeichneten Arbeiten, welche Ahmadzais journalistischen aber auch künstlerischen Blick auf ihr Heimatland Afghanistan reflektieren. Titelgebend für die Ausstellung ist die zentrale Fotoserie „Highway of Conquest“. In gleich zwei Zimmern der ehemaligen Wohnung kommen die monumentalen Luftaufnahmen von kahlen Gebirgsketten, zerklüfteten Landschaften und weit entfernten Siedlungen auf nackten weißen Wänden wunderbar zu Geltung. Nichts lenkt den Betrachter davon ab, einen tiefen Blick in die teils unwirklich erscheinenden Geographien dieses Landes zu werfen, welches den meisten wahrscheinlich nur aus den Nachrichten visuell bekannt ist. Doch nichts erinnert hier an Krieg oder spiegelt die derzeit politisch und gesellschaftlich so brisante Situation in Afghanistan wider. Sie bleiben nur hintergründig im Bewusstsein des Betrachters haften. Diese großformatigen Draufsichten dagegen strahlen eine eigenartige Stille aus. Aus weiter Entfernung, aus luftiger Höhe, hat Lela Ahmadzai hiermit einen erhabenen Blick auf das Land geworfen und vermittelt mit „Highway of Conquest“ im übertragenen Sinne die Erhabenheit der Natur über Krieg und menschliches Verderben. „Egal, wie die Kriege in Afghanistan ausgehen: Die Berge werden es überleben.“, stellt Lela Ahmadzai ganz ruhig fest. In der Tat wirken die menschlichen Behausungen auf den Bildern klein und unscheinbar. Im Gegensatz zu der großen Distanz während der Aufnahmesituation, muss man daher als Betrachter sehr nah an die Bilder herantreten, um die Details des Dargestellten zu erkennen. Während der sehr gut besuchten Vernissage bekomme ich immer wieder Diskussionen zwischen vertieften Gästen mit. Sie fragen sich, was nun wirklich auf den Bildern zu sehen sei. Doch die Bilder geben ihr Geheimnis nie gänzlich preis und bewahren sich damit ihren faszinierenden Zauber. Das macht die mysteröse Anziehungskraft dieser malerischen Fotografien aus!
Bewegter und bewegender zeigen sich die Bilder in den beiden weiteren Bestandteilen der Ausstellung, die das Medium Video mit integrieren. Für „Die Ersten auf dem Platz“ hat Lela Ahmadzai über mehrere Jahre die afghanische Frauenfußball-Nationalmannschaft begleitet. Dabei herausgekommen sind sehr persönliche, fotografische Charakterstudien der Spielerinnen, die mich sehr beeinduckt haben. Dazu ist ein Videofilm ist zu sehen, der von den Schwierigkeiten dieser Frauen erzählt. Ihre Leidenschaft für diesen Sport wird nach wie vor von der männerdominierten und auf konservative Rollenverteilung setzende Gesellschaft kritisch betrachtet. Dem zum Trotz beweisen die Spielerinnen Mut, Lebensfreude und Persönlichkeit. Sie werden in der Reportage zu Sinnbildern eines weiblichen Sebstbewusstsein. Neben dieser Thematik bleiben jedoch auch im Alltag der Fußballspielerinnen die militärischen Spannungen in Afghanistan nicht Außen vor. „Die Spielerinen trainierten auf dem Militätcamp der ISAF in Kabul, wurden kontinuierlich von Sicherheitskräften beschützt. Die Angst vor Anschlägen – sie ist stets präsent“, bringt es Lela Ahmadzai in dem Begleittext zur Reportage auf den Punkt.
Krieg und Gewalt bleiben in der Ausstellung als Leitthemen omnipräsent. Sie kristallisieren sich im dritten Werk besonders drastisch heraus. „Stille Nacht“ thematisiert das Massaker von Kandahar vom 11. März 2012, als US-Staff Sergeant Robert Balles in drei Dörfern rund um den Militärstützpunkt Camp Belambay in Kandahar 16 Menschen tötete und weitere sechs verletzte. Lela Ahmadzai sprach mit Hinterbliebenen und Überlebenden. Besonders im Film fällt die Offenheit dieser Menschen und die Nähe zu ihrem Schicksal auf. Ohne Vertrauen ist diese emotionale Darstellung wohl kaum möglich gewesen. So erwies sich Ahmadzais Herkunft hierbei als Vorteil, denn sie ist selbst Afghanin – sie ist hier geboren und aufgewachsen, spricht die Sprache, kennt Verhaltensmuster und Gepflogenheiten ihrer Landsleute – und ihr erklärtes Ziel wird es wohl weiterhin sein, auf gleichermaßen journalistisch und ästhetisch ansprechende Weise von ihrem Heimatland zu berichten. Wer einen Eindruck bekommen möchte, besucht die Ausstellung in der HUGO 45 – sie ist noch bis zum 27. April zu sehen!