
Ein starkes Stück Metal-Kunst
Was für ein Wochenende der Unterschiede und doch großen Gemeinsamkeiten! Nach „Kunst…hier und jetzt“ (Geduld! dieser Bericht folgt sogleich) traf mich Metal…mitten ins Gesicht. Ich will mir Headshot im Hansa Kultur-Klub angucken, eine der ganz großen Vorzeigemetalbands der Stadt. Denn Headshot bombadiert bereits seit 20 Jahren aus dem Braunschweiger Heavy-Bunker die Welt mit Schwermetal und das muss ich schließlich – freilich ganz friedlich trotz der üblichen Metal-Kriegs-Rhetorik – mitfeiern. Freitag und Samstag stehen im Hansa Kultur-Klub ganz im Zeichen der Band: Zwei Tage, zwei Konzerte mit zwei völlig unterschiedlichen Sets. Mit Spancer, Deserted Fear, Mortal Factor und Sudden Death begleitet Headshot eine gut aufgestellte Armee erlesener Metalbands.
Text: Stefanie Krause | Fotos: Frank Tobian/Frank Tobian Photopgraphy
Das ist eine amtliche Ansage! Freunde des Schwermetals kommen an diesem Wochenende also wirklich nicht zu kurz. Erst zu später Stunde kann ich mich am Samstag aus dem letzten offenen Atelier von Kunst…hier und jetzt loseisen. Bevor ich da versehentlich selber zur Skulptur erklärt und übermüdet unbemerkt mit eingeschlossen werde, hat gerade noch rechtzeitig mein innerer Metaldetektor gepiept und mich wach gemacht! Fast wie magnetisch werde ich auf dem nahezu direkten Weg – mit Zwischenstop am Dönerladen – vom Hansa Kultur-Kub angezogen. Denn Trashmetal auf leeren Magen kann ich nicht empfehlen. So sehr ich mich auf Headshot freue, diese musikalisch harte Kost braucht im Vorfeld die richtige Grundlage! Vor dem Hansa treffe ich dann bereits auf eine Traube Kuttenträger. Welch feine Freude, gleich geht‘s los! Doch ich pralle erstmal prompt am Türsteher ab. Gibt’s hier einen Dresscode, oder was? Verdammt, meine Kutte hab ich heute zu meinem ‚gesitteten‘ Kunstrundang nicht übergezogen, soll mir das jetzt etwa zum traurigen Verhängnis werden? Außerdem ist meine Metalmatte zu einem Möchtegern-Berliner-Hipster-Oktoberfest-Hefe-Zopf-ich-bin-aber-lieber-in-Braunschweig-denn-hier-ist-es-einfach-netter geflochten und ich bilde mir ein, alle gucken mich doof an. Den Kopf zu mit Kunst und den Bauch voll mit Döner, gefällt mir das erstmal gar nicht und ich überlege eine Sekunde, ob ich zickig werden soll! Nun, das ist natürlich alles Quatsch – der ‚Türsteher‘ ist der nette Mensch an der Kasse und einen Dresscode gibt es im Hansa und auf Headshot-Konzerten ganz bestimmt nicht. Und zickig hat mich selbstverständlich noch nie jemand erlebt.
So wie ich es erwartet habe, herrscht eine gut gelaunte und entspannte Stimmung zwischen allen Anwesenden. Metaller halt! Ich fühl mich gleich wie zu Hause. Man findet mich nur nicht gleich auf der Gästeliste, denn da stehen irgendwelche Hieroglyphen mit dem Zusatz „Plus 1“, die wirklich schwer zu entziffern sind. Welches „Plus 1“ ich denn sei, werde ich mit todernster Miene gefragt. Tja, wenn ich das nur wüsste…
Selbstverständlich regelt sich alles ganz stressfrei und während ich durch den schlauchartigen Vorraum an der stattlichen Theke im Hansa vorbei Richtung Konzerthalle gehe, weht mir schon eine steife Brise Thrashmetal ins Gesicht. Die braust zu einem heftigen Sturm auf, als ich die Schwingtüren zum Saal öffne. Headshot haben gerade angefangen zu spielen und pusten mir innerhalb von Minuten die Birne frei. Aufatmen, Bier holen, mitmoschen. Richtig so! Den Flechtzopf habe ich dennoch nicht aufgemacht, denn so wirklich ‚true‘ ist man schließlich tief im Herzen – auch mit Hipster-Frise: also gibt’s von mir ein trotziges „Pah“! Mir fällt sowieso auf, dass einige im Publikum nicht in der traditionellen Tracht erschienen sind. Es sieht so aus, als hätten Headshot selbst die etwas versprengten Fans wieder herausgelockt, um mit ihnen das 20jährige Bestehen der Band zu feiern. Ganz junger Nachwuchs übt sich im Headbanging und hat am nächsten Morgen bestimmt Nackenschmerzen, erfahrene Stiernacken wippen zu den hämmernden Klängen bedächtig mit der Fußspitze und einige Damen im Hausfrauen-Look streiten sich darüber, ob nun Testaments „The New Order“ oder „The Ultra Violence“ von Death Angel der coolere Bay-Area-Trashmetal-Lieblingssong ist. Ich nehme Testament!
Alle verstehen sich blendend und das finde ich richtig gut! Gutes Stichwort, denn Headshot sind so etwas wir die Braunschweiger Erben des Thrashmetal, der in den 80ern in der Bay-Area geboren wurde. Über die lange Bandgeschichte hat Headshot sozusagen die Urform des Thrashmetals mit einer ganz eigenen Note versehen, ihr einen modernen Anstrich verpasst, sehr anspruchsvolle Elemente einfließen lassen und vor allem alles eine Oktave böser gespielt. Mir gefallen am meisten die gekonnten Wechsel zwischen groovenden Sounds, pumpenden Deathmetalparts und thrashigem Gehetze, mit denen Headshot ihre Songs unheimlich vielschichtig gestalten und die Fans ständig auf Trab halten. Headshot schießen scharf von der Bühne und lassen die Fans nicht eine Sekunde zur Ruhe kommen. Ich kann mir im Nachhinein ehrlich nicht erklären, wie ich mich über den Abend verteilt auch immer wieder über die vorher gesehenen Kunstexponate unterhalten konnte. Das liegt wohl vor allem an dem wirklich gut abgemischten Sound, der perfekten Konzertgenuss ermöglicht und dazu führt, dass ich nach dem Konzert noch nicht mal ein feinstes Piepsen im Ohr habe. Echt super! Im hinteren Bereich des Konzertsaals kann man gemütlich ein Bier zischen und bei bester Headshotbeschallung sogar gepflegte Konversation betreiben.
So teilt sich die Party im Hansa sozusagen in mehrere Schauplätze auf. An der Bar im Vorraum kann man sich ziemlich edel niederlassen und sogar Biorotwein trinken, wie ich an diesem Abend mitbekomme und draußen vor der Tür steht eigentlich immer eine Gruppe Leute. So ist man selbst beim frische-Luft-Schnappen nie alleine. Leider muss man sich nach draußen öfter mal verdrücken denn das einzige Manko ist wirklich die Luft im Konzertsaal. Diese ist irgendwann so schweißrauchnebeldick, dass man sich zur Erinnerung an den Abend ohne Weiteres ein Stück davon hätte abschneiden können. Das ist ein bisschen Schade, denn im Grunde ist der Hansa Kultur-Klub die ideale Location für Konzerte! Auf der Bühne spielt sich daher heute beim Auftritt von Headshot der unangefochtene Hauptschauplatz des Abends ab. Frontfrau Daniela Karrer, die selbst mit Erkältung jeden Deathmetal-Platzhirsch am Mikro in den Schatten stellt, macht mächtig Stimmung und feuert die begeisterten Fans an! Da die Bühne nicht zu hoch und nicht zu weit weg ist, kann man von hier vorne den Gitarristen Olaf Danneberg und Henrik Osterloh staunend auf die Finger schauen. Dank Konzertfotograf Frank Tobian darf man bei Kult-Tour Braunschweig auch einen Blick auf Drummer Till Hartmann werfen, der sonst hinter dem Trommelberg nicht so oft zu sehen ist, dafür aber gekonnt Druck auf die Tube gibt. Außerdem kann man von dem Können und der Bühnenpräsenz des neuen Bassisten Max Hunger echt beeindruckt sein. Der ist erst 21! Ab und zu ist er daher Danis netten Neckereien während des Auftritts ausgesetzt, denn als Headshot 1993 gegründet wurde, war er erst ein süßes Jahr alt. Hoffentlich bleibt er noch lange dabei und begleitet diese herausragende Band noch die nächsten 20 Jahre! Weiter so – ich hatte einen großartigen Abend.
Bei allerfeinstem Thrashmetal konnte ich nicht nur die Sau rauslassen, sondern mich nebenbei auch noch über Kunst unterhalten. Was für ein kruder Mix! Aber so weit entfernt sind diese Welten eigentlich gar nicht, was Headshot da auf die Bühne gezaubert hat, ist wirklich große Kunst und ein unabdingbares Stück Metalkultur der Region 38000. Headshot und Braunschweig rulz! Daher darf das Jubiläumsfest der Band auf Kult-Tour Braunschweig auf gar keinen Fall fehlen!