
Der Körper als ein zu Hause. Holländer bringt New Yorker Tanzpraxis nach Braunschweig
Ich liebe New York. Ich war schon mehrfach da und darf behaupten, dass ich diese Stadt aus anderen Blickwinkeln kennen lernen durfte als manch klassischer Tourist. Wenn New York ein Tanz wäre, stünde dieser für mich für Chaos und Stille. Ja, auch die Stadt, die niemals schläft, ist manchmal ganz ruhig. Psychologisch brachten meine Reisen nach New York auch immer die Erfahrung des Annehmens und Abgrenzens von bestimmenden Dingen in meinem Leben mit sich. Und New York steht für mich vor allem für die Leichtigkeit. Ihr merkt vielleicht, dass diese konkreten Begriffe in Verbindung mit meiner Liebe zu New York in diesem Blogeintrag nicht von ungefähr kommen. Und warum jetzt eigentlich Tanz?
Text: Stefanie Krause | Foto 1: Michael Adams, Foto 2+3: René Schaap, Foto 4: Stefanie Krause
Es ist so: Chaos, Stille, Annehmen, Abgrenzung und Leichtigkeit sind die zentralen Begrifflichkeiten bei den „5 Rhythmen“, einer freien Tanzpraxis, die ich gerade erst kennen lernen durfte. Die Lehre der 5 Rhythmen wurde von einer New Yorkerin begründet und wird nun durch einen Holländer nach Braunschweig gebracht. Das wird euch zu bunt? Nein, das ist eine typische Kult-Tour-Geschichte, die durch positive Energie zum Leben erweckt wird und sich erst durch eine Offenheit gegenüber unbekannten Themen entwickeln kann. Der Beginn der Geschichte liegt gerade erst ein paar Tage zurück. René Schaap ist für mich am Anfang nur eine Name unter einer etwas kryptisch formulierten Email und dann eine fremde Telefonstimme mit holländischem Akzent. Es dauert aber nicht lange, bis ich verstehe, dass es sich bei seinem Anliegen um eine höchst leidenschaftliche Geschichte handelt. Darüber möchte ich mehr wissen!
René ist Tanzlehrer der „5 Rhythmen“. Diese freie Bewegungsform wurde von der weit über die Grenzen der U.S.A. bekannten und geschätzten Tanzkoryphäe Gabrielle Roth in den 70er Jahren entwickelt und seit den 90er Jahren im pulsierenden New York gelehrt. Unterstützt wurde sie dabei vom deutsch-jüdischen Psychiater und Psychotherapeuten Friedrich Salomon „Fritz“ Perls, der einst vor dem Krieg in Deutschland geflohen war und ein Mitbegründer der Gestalttherapie ist. Bei keiner Geringeren als ihr erhielt René im Jahr 2012 seine Ausbildung und tanzt seitdem im Takt der 5 Rhythmen durch die ganze Welt. Doch es ist mehr als das. „Man nennt es Tanz, doch für mich ist es eine dynamische Bewegungsmeditation“, erklärt mir René. „Denn ich unterrichte keine Schritte sondern freie eigene Bewegung.“ Die 5 Rhythmen ordnen demnach keinesfalls die Bewegungen der Tänzer im Rahmen festgeschriebener Abläufe. Diese Bewegungsform soll die Menschen vielmehr befreien, damit sie sozusagen den eigenen Tanz in sich selbst finden können – Unabhängig von Statur, Größe, Alter, Einschränkungen und Erfahrungen. Die Lehre geht davon aus, dass die 5 Rhythmen als Parameter des Lebens in jedem wohnen und daher auch jeder Mensch zu einer individuellen Choreographie finden kann. „Deinen Tanz zu finden, heißt dich selber zu finden“, heißt es auf Renés Webseite und er kann dies aus ganz persönlicher Erfahrung bestätigen.
Als Controller und Administrator arbeitet René Schaap lange erfolgreich – und vor allem viel – in der Wirtschaft. Dann beginnt für ihn im Jahr 2001 eine fast schon klassische Geschichte der Menschheit in den Fängen der kapitalistischen Welt: Das Portemonnaie voll, das Herz leer. Eine tiefe persönliche Krise bringt das Fass zum Überlaufen und ist schließlich der Anlass, dass René sein Leben radikal ändert. Freunde bringen ihn mit den 5 Rhythmen in Berührung und er ist sofort Feuer und Flamme. Während der meditativen Tanzerfahrungen kann René erstmals seit Jahrzehnten wieder abschalten und ein fast in Vergessenheit geratenes Gefühl von Freiheit in seinem Kopf verspüren: „Es ging für mich darum, einfach mal nicht zu denken und darum, die rationale Kontrolle aufzugeben“, erinnert er sich. Kein Wunder also, dass René vor allem „gestressten Menschen oder Menschen, die Kontakt zu ihrer Lebensenergie und Körpermitte wiederherstellen wollen,“ die 5 Rhythmen empfiehlt. Bewegung ist der Schlüssel dazu, „körperlich und geistig wieder besser zu funktionieren“, bringt er es ganz einfach auf den Punkt.
Doch das Tanzen hat nicht nur die Ketten in seinem Kopf gesprengt. Seit seinem Lebenswandel ist René viel in der Welt herumgekommen. Er hat Brasilien bereist und unter anderem in den U.S.A, in Holland und Deutschland gelehrt und gewirkt. Eine feste Heimat ist für ihn auf gewisse Art und Weise der Tanz geworden. Auch die Teilnehmer seiner Kurse berichten davon, dass sie durch die 5 Rhythmen ein weiteres „zu Hause bekommen haben“, gibt René das Feedback wieder, welches er weltweit bekommen hat. „Ein zu Hause in ihrem Körper“, fügt er an und betont damit den wichtigsten Aspekt der 5 Rhythmen. Mir gefällt der Gedanke, dass ein Tanz fähig ist, den Körper und Geist von auferlegten kulturellen Einschränkungen freizumachen. Hier muss man sich an keine Regeln halten, außer vielleicht an den respektvollen Umgang mit sich und anderen. Aber hat man nicht den höchsten Respekt vor sich selber, wenn man auf den eigenen Rhythmus hört und nach Einklang mit sich und der Welt strebt? Im Mittelpunkt der 5 Rhythmen stehen keine gesellschaftlichen, kulturellen, nationalen und geschlechterspezifischen Regeln sondern immer der Mensch als ein Individuum, welches in Harmonie mit sich und anderen gebracht werden soll.
Und wir wissen ja: Wenn man mehr bei sich selbst ist, ist man auf ganz natürliche Art auch mehr bei anderen. Das ist kein ‚Blabla‘ und die Praxis der 5 Rhythmen auch keinesfalls mit einer esoterischen Egoshow zu vergleichen. Das gemeinsame Tanzen soll die Teilnehmer vor allem verbinden und näher bringen. „Wenn wir uns in der Gruppe bewegen, findet ein Austausch statt von ‚viel Energie‘ nach ‚wenig Energie‘“, macht mir René die zwischenmenschlichen und damit auch energetischen Vorgänge während der Kurse nachvollziehbar. Da werde ich hellhörig, denn für mich ist das ein wesentliches Prinzip des Lebens und mein Ziel immer der Versuch des Ausgleichen und des Zusammenfügens gegensätzlicher Energien! In den leidenschaftlichen Wirren des Lebens ist das allerdings keine einfache Aufgabe. Jedoch im Kurs bei René Schaap kann man offenbar im kleinen Rahmen üben. „Oft höre ich am Anfang der Tanzkurse“, erzählt er mir mit Freude in der Stimme, „dass Teilnehmer zunächst viel Widerstand in sich verspüren und ‚keine richtige Lust‘ haben. Nach einer Session fühlen sich viele dann aber wie neu geboren.“ Zwänge gibt es dabei keine. „Man darf in dem Raum auch einfach nur anwesend sein, ohne viel Bewegung,“ beruhigt René diese, die möglicherweise Berührungsängste haben oder sogar annehmen, sie könnten nicht Tanzen. Fazit: Jeder darf und kann mitmachen.
Euch ist das vielleicht zu esoterisch? Oh ja, auch ich dachte erst so. Aber ich finde, das kann man eigentlich erst entscheiden, wenn man selber einmal mitgemacht hat. René hat mich auf jeden Fall sehr neugierig gemacht, obwohl ich in meinem Leben noch an keinem einzigen Tanzkurs teilgenommen habe und eher den „Freestyle“ auf der Discotanzfläche bevorzuge. Doch die 5 Rhythmen sind davon vielleicht gar nicht so weit entfernt.
Ort: ENUKI | Büchnerstr. 1 | 38118 Braunschweig
Termine: 21.03.2016 | 18.04.2016 | 30.05.2016 | 27.06.2016
Zeit: Montags, 19.30-21.30 Uhr
Unkostenbeitrag: 12,50 euro
Anmeldung: René Schaap | Telefon: 03841-3286656 | E-Mail rene5rhythmen.de@gmail.com