
Auf spannenden Umwegen zum Ziel
Meine Laudatio vom 19.09.2015 zu Christian Hammerschmidts Ausstellung „1 zu 1“ im Café Riptide: hier noch einmal online nachzulesen. Besucht auch ihr die Ausstellung wunderbar-verträumter und auch klar-strukturierter Fotografien dieses Künstlers, der mit Kult-Tour Der Stadtblog und den vielen Gästen der Vernissage sein Ausstellungsdebut feierte. Noch bis zum 31.12.2015 könnt ihr „1 zu 1“ bei einem Besuch im gemütlichen Café Riptide beschauen. Details zu den Öffnungszeiten und weitere tolle Fotoimpressionen, nicht live aber dafür in FARBE, findet ihr HIER bei uns.
Text: Stefanie Krause, Fotos: Siegfried Krause
Ich begrüße alle ganz herzlich zur Vernissage von Christian Hammerschmidts Ausstellung mit dem Titel 1 zu 1. Ich bin Stefanie Krause die Redaktionsleiterin von Kult-Tour der Stadtblog und ich habe mit Christian Hammerschmidt gemeinsam diese Ausstellung konzipiert und vorbereitet. Obwohl ich gar nicht so der große Fan bin von einer umfangreichen Vita in einer Laudatio, möchte ich in meinem kleinen Einführungstext dieses mal doch etwas mehr über den Menschen erzählen, der hinter diesen Bildern steht und seinen Weg zur Kunst beschreiben. Schließlich ist der Umweg zum Ziel manchmal viel spannender als das geradlinige Streben zu einem festen Status.
Von Berufswegen ist Christian Hammerschmidt eigentlich Psychologe, doch ist er auch ein Künstler? In unseren Vorgesprächen erzählte er mir ziemlich bescheiden, dass die Kunst vor allem sein Hobby sei. Doch allein die Komplexität seiner Interessen lässt bereits während der Schulzeit eine vielfältige Begabung erkennen. Neben der schon früh von ihm bevorzugten Fotografie, damals war Christian noch mit einer analogen Spiegelreflexkamera unterwegs, versuchte er sich in der Malerei mit Aquarell und Öl, an plastischen Arbeiten in Ton und übte sich im Bereich der darstellenden Kunst im Theater, im Kabarett mit eigenes verfassten Texten und sang sogar im Chor. Der Zivildienst und eine Ausbildung zum Rettungssanitäter lieferten das krasse Gegensatzprogramm zu den kulturellen Tätigkeiten. Hin und her gerissen zwischen den Bereichen Kunst und Medizin, bewarb sich Christian dann doch bei der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und wurde für das Fach Kunst und Darstellendes Spiel im Lehramt angenommen. Doch dabei sollte es nicht lange bleiben. Unzufrieden mit der Art der Ausbildung, sattelte er um, nahm ein paar Abzweigungen über die Geschichte und die Germanistik, um schlussendlich bei der Psychologie den Ort seiner Bestimmung zu finden.
Vielleicht hätte er mit dem Fotografieren auch zu dieser Zeit wieder begonnen, wenn nicht der technische Fortschritt dazwischengefunkt hätte. Analoge Filme wurden rar bzw. die Entwicklung ziemlich teuer – und Geld für eine neue vernünftige Digitalkamera war damals noch nicht vorhanden. Hier möchte ich ein Zitat von Christian selbst einfließen lassen: „Da ich also nicht Fotografieren konnte, habe ich eine Doktorarbeit als Hobby geschrieben. Wie schon zur Diplomarbeit ging es thematisch wieder um Studenten und Alkoholkonsum. Man muss sich schließlich dem widmen, was man am besten kann.“ Doch Fotografieren kann Christian Hammerschmidt mindestens genauso gut. Und glücklicherweise kam dann mit dem Aufkommen – ja, in der Tat mit dem Aufkommen der Smartphones „die große Leidenschaft“ zurück. Sein Handy sozusagen immer auf Tasche reagiert er seitdem unmittelbar, wenn sein Blick auf interessante Motive fällt. Unter Zuhilfenahme einfachster, digitaler Techniken beweist er damit sowohl einen künstlerischen Blick für die Details, die ihm im Alltag begegnen, als auch einen feinen Sinn für das Monumentale und für nahezu abstrakte Architekturansichten.
Kunstgeschichtlich mag man Anleihen zu Bernd und Hilla Bechers nüchterner Bildauffassung entdecken. Jedoch ist Christians motivische Welt kaum eingeschränkt und keiner regelhaften Herangehensweise an das Bild verpflichtet. Den kühlen Studien von vornehmlich industriellen Objekten stehen erhabene und romantische Landschaften in kräftigen Farben gegenüber, die schon fast an Malerei erinnern. Außerdem greift Christian Hammerschmidt immer wieder auf Detailansichten zurück, die eingerahmt im zweidimensionalen Bild eigene Mikrokosmen schaffen, die von der realen Welt abgeschnitten zu sein scheinen und den Betrachter in langen Momenten des Verweilens in ihre Sphäre mit hineinziehen.
Die Vielfalt seiner Motive findet zu einer Einheit in dem von Hammerschmidt bevorzugten 1:1-Format. Hier ist der stärkste Aspekt des Zeitgenössischen in den ausgestellten Fotografien auszumachen, denn das von Christian Hammerschmidt bevorzugte Format ist uns derzeit vor allem aus Social Media Anwendungen wie Instagramm bekannt. Derzeit macht das 1:1 Format dem Standardfotoformat mächtig Konkurrenz. Unser Leben wird zu kleinteiligen Fototapeten, die sich über unseren Computerbildschirmen oder Handydisplays ausbreiten. Im fortgeschrittenen Zeitalter ausgeklügelter Nachbearbeitungssoftware sowie Social Media Anwendungen und technischen Endgeräten, die Filter und Bearbeitungswerkzeuge bereits per se mitliefern, wird die Frage nach der künstlerischen und dokumentarischen Qualität der digitalen Fotografie immer lauter. Doch die Auseinandersetzung mit einem Künstler wie Christian Hammerschmidt zeigt auf, dass die modernen Techniken eben auch eine Menge künstlerisches Potential in sich trägt und hier sogar auf traditionelle Bildfindungsstrategien der analogen Fotografie zurückgegriffen wird.
Denn überraschend ist, dass ihm bei der Umsetzung seiner Bildideen eine App geholfen hat, die durch ihre Bezeichnung Hipstamatic vielleicht bei dem einen oder anderen kultur- und kunstliebenden Menschen Unbehagen aufkommen lässt, doch in höchstem Maße an die traditionelle und oft als künstlerischer oder gewählter geltende analoge Fotografie anknüpft. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Durch „Hipstamatic“ konnte Christian Hammerschmidt ein wenig das Analoge für sich retten. Denn diese App macht sich bewusst die Relikte der analogen Fotografie zu nutze. Unterschiedliche Objektive, Filme und Filter sind hier in virtueller Form verfügbar und Bildstil, Licht und Bildkomposition muss im Voraus gewählt werden. Bewusst verzichtet Christian Hammerschmidt auf nachträgliche Bildbearbeitung mit weiterer Software oder nachträgliches Beschönigen durch Farb- oder Effektfilter. Alle Einstellungen werden im Vorfeld entschieden. Jedes entdeckte Motiv führt also zur Reflexion, in welchem Modus, mit welcher Farb- und Lichttemperatur oder mit welchem virtuellen Objektiv das Motiv am besten zur Geltung kommen könnte. Der sensible Blick und die dem Ablichten des Motivs vorgeschaltete Reflexion werden damit bei Christian Hammerschmidt zu wichtigen Kriterien für den künstlerischen Wert seiner Bilder. Die Bilder, die wir hier heute sehen, sind – wenn man das so sagen kann – 1 zu 1 aus dem virtuellen Kameraautomaten entstanden. Fast schon nostalgische Erinnerungen an das Polaroid-Verfahren werden wach oder an den Moment, in dem man im Fotogeschäft voller Neugier die entwickelten Fotoabzüge zum ersten Mal in den Händen halten durfte.
Dennoch sind Christian Hammerschmidts Fotografien der schnelllebigen digitalen Technik verschrieben. Er produziert Serien mit zahlreichen Bildern, aus denen in der heutigen Ausstellung nur ein Bruchteil zu sehen ist. Der Flüchtigkeit dieser schnell und technisch recht unkompliziert entstandenen Fotografien wollen wir nicht zuletzt mit dieser Ausstellung eine Daseinsberechtigung im Feld der Kunstfotografie geben. Denn auch die einfachste Technik kann schließlich eine großartige Idee oder einen besonderen Blick auf das Leben spiegeln. Dafür ist manchmal eben keine High-End Technik und keine langwierige akademische Ausbildung von Nöten.
Wir laden also ein zum Verweilen vor den Bildern und wünschen viel Spaß beim heutigen Eröffnungsabend der Ausstellung!