
Hinter den Fassaden der Stadt. Eine Aktiv-Performance völlig anderer Art
Erobere deine Stadt! – Was für `ne Aktion! Stellt euch das mal kurz bildlich vor: Etwa zwanzig Leute mit quietsch-orangen Kopfhörern halten sich jeweils einen Spiegel vors Gesicht, torkeln damit suchend durch die Hauptbahnhofshalle und stolpern anschließend rückwärts aus den Türen hinaus, weiterhin immer mit Blick in ihren Spiegel. Was ist denn da los? Ein Haufen Wahnsinniger? Nee, das sind bloß die Teilnehmer von „Erobere deine Stadt“, einer Audiowalk-Performance vom Team „Kleine Zukunft“. Das Format lässt sich weder mit Theater vergleichen noch mit irgendetwas, was ich schon mal erlebt hätte – da muss man einfach mitmachen…
Text: Manuela Kuhar | Fotos: Kleine Zukunft
Den Anfang nimmt das Ganze in der Nähe vom Schloss Richmond, wo zunächst einmal Kopfhörer verteilt werden. Verschiedene Sprecher/innen leiten die Teilnehmergruppe über Straßen und Ampeln, sie navigieren uns durch laute Tunnel und lassen uns durch lauschige Parkwege flanieren. Wir klettern auf ein hochgelegenes Parkdeck und genießen den ungewohnten Rundumblick; wir wagen uns in einen verlassenen Keller und in Stockfinsternis, sehen die Welt in Spiegeln und durch bunte Brillen. Überraschend finden wir witzige Details in vermeintlich langweiligen Fassaden: bunte Fische, Eisberge und Schiffe mitten in der Stadt! Und was man alles an vermeintlich wohlbekannten Orten machen kann: Eine Treppe neben einer Bundesstraße verwandelt sich für uns in eine Zuschauertribüne einer Rennstrecke, auf der wir lautstark die vorbeifahrenden Autos anfeuern. Sogar mit La Ola!
Zwischendurch gibt es Ingwer-Estragon-Limonade (total schräges Zeug – soll ein altes georgisches Rezept sein?!). Per Kopfhörer erzählen verschiedene Interviewpartner von Graffiti, mal geht es um Transsexualität und mal um Erlebnisse der dritten Art am Gartenzaun… Braunschweiger lassen uns hinter ihre persönlichen Fassaden blicken, während wir unsere Sinne für spannende Kleinigkeiten schärfen, die sonst verborgen bleiben.
Roter Faden?! Sowas gibt’s hier nicht! Egal, braucht’s auch nicht, das Ganze hat seine eigene, völlig einzigartige Faszination. Wir haben interessante Details der Stadt gesehen, die ich sonst wahrscheinlich noch die nächsten Jahre übersehen hätte. Das inspiriert mich doch glatt, in Zukunft noch genauer hinzusehen, was diese und andere Städte so zu bieten haben und was für spannende Leute es hier gibt!
Die „Kleine Zukunft“ gab es letztes Jahr auch schon in Salzgitter. Was das alles für ein Aufwand sein muss – nicht nur für die Interviews, sondern auch um Kontakte zu spannenden Leuten zu knüpfen und sie dazu zu bringen, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein!
In Braunschweig ist nun am Freitag (Heute!) um 17 Uhr und am Samstag, dem 26.9. um 12 Uhr die letzte Gelegenheit, die „Kleine Zukunft“ zu erleben. (Direktwahl: 01522-6062710). Nix wie hin, wenn ihr könnt – und wenn nicht, gibt es das Format nächstes Jahr hoffentlich wieder!