
Frischzellenkultur in der Klaue
„Last pub before sunrise“ lese ich auf einem Emailleschild auf rüstigdunklem Holz des Eingangsbereichs der Klaue. Doch heute verhält es sich anders. Als „first pup before sundown“ betrete ich an diesem 30. Juli die Punk-, Rock- und Metalkneipe. Und das ist auch gut so, denn für die heutige „Quiznight“ benötige ich einen frischen Geist und unbenebelte Sinne.
Text: Stefanie Krause | Fotos: Jens Bartels/JayBe Photography
Ebenfalls aufgeweckt und mit wachem Blick begrüßt mich sogleich Moderator Till Burgwächter, der seine grauen Zellen bereits mit einem mineralstoffhaltigen Gerstensaft nährt. Er mimt den teuflisch-sympathischen Quizmaster dieses Wettbewerbs für Musikverrückte, die Lust haben, ihr Wissen über die härteren Gangarten der Gitarrenmusik bei einem gemütlichen Abend an der Bar zu messen. Und ihm – IHM kann niemand so schnell das Wasser reichen, gefürchtet vor allem sein jahrzehnteschweres Wissen über den Bay Area Trashmetal. „Nein, nein“, lacht Till, als ich ihn ein wenig damit necke, „eigentlich geht es bei der Quiznight nicht in erster Linie um den Wettbewerb, sondern vor allem um den Spaß“, sagt er mir und das Wasser lässt er sich offenbar auch gerne reichen. Besonders gerne das mit Weizengeschmack und dies vor allem mit perfekter Schaumkrone gereicht von Anselm höchstpersönlich. Anselm leitet die kleine und für die musikalische Subkultur unserer Stadt doch so dermaßen wichtige Kultkneipe mitten im Partyviertel. Er wollte mit der Quiznight „etwas Neues schaffen, was es in dieser Form hier einfach nicht gibt.“ So antwortet er mir auf meine Frage nach der anfänglichen Idee und fügt breit grinsend hinzu: „Ich hab das mal auf ’nem Festival gesehen und das war ’nen Heiden Spaß.“ Halstattoo, Irofrise und Bandshirt mit blutrünstigem Motiv können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Anselm ein ziemlich netter Typ ist. Die Klaue direkt an der eigentlich recht kritischen Ecke Leopoldstraße/Wallstraße ist einer der friedlichsten Ort inmitten der Partymeile, was nicht zuletzt Anselms konsequenter Art zu verdanken ist. Hier ist defintiv kein Platz für Rassismus, Grauzone oder einfach nur unpolitische Agressivität gegen alles und jeden. Und mit Veranstaltungen wie Konzerten und eben der Quiznight beweist der kleine Laden zudem, dass man hier nicht nur Saufen und Feiern kann.
Die Quiznight verfolgt einen gewissen Anspruch, der mit Metal- und Musikexperte Till Burgwächter wohl ganz automatisch entsteht. Er ist als Autor und Moderator stadtbekannt und auch Anselm kennt ihn schon seit vielen Jahren. Daher traf „die erste Wahl direkt auf ihn und er war auch sofort Feuer und Flamme für die Idee“, erzählt Anselm zufrieden. Sein Gespür gibt ihm Recht, denn die immer am letzten Donnerstag des Monats stattfindende Quiznight ist in der Braunschweiger Szene sofort auf regen Zuspruch gestoßen. Auch heute zur dritten Runde ist erneut – trotz Wackenfestival! – ein buntes Völkchen Quizwilliger gekommen und wartet gespannt auf die Fragen rund um Rock, Metal und Punk. Zu Beginn fordert Till seine Zuhörer mit tieftönender Stimme auf, sich in kleine Gruppen aufzuteilen und hier fängt der Spaß auch schon an. Der prägnanteste Gruppenname wird mit Extrapunkten belohnt. Kurz überlege ich, ob ich meine Rolle als Beobachterin doch aufgeben und mich einer Gruppe anschließen sollte – hm, vielleicht steige ich ja bei „Pussy-Waggon“ ein. Hut ab vor den quietschfidelen und gut gelaunten Mädels am hinteren Tisch beim blubbernden Klaue-Aquarium! Denn aus eigener Erfahrung als weiblicher Metalfan kenne ich das scheinbar vorprogrammierte Scheitern, wenn ich es mit einem Musik-Nerd-Alphamännchen aufnehmen wollte. Is‘ so! Ich weiß zwar ziemlich viel, aber es fällt mir nie zum richtigen Zeitpunkt ein. Verdammt, manchmal ruht halt doch gewisse Wahrheit in den Klischees von Männlein und Weiblein, auch wenn ich das ungern zugeben möchte.
Diese Erkenntnis gibt mir und Till Anlass, zwischen den Fragen ein wenig über diesen Sachverhalt zu philosophieren. Unser Fazit ist, dass Männer die Dinge oft schneller als „Competition“ auffassen. Frauen wollen sich dagegen meistens nicht so stark profilieren. Ob das nun an unserer Erziehung, an gesellschaftlichen Rollenmustern oder tatsächlich an der Beschaffenheit unseres Denkapparates liegt, können wir auf die Schnelle nicht beantworten. Denn es geht auch schon weiter. Während ich noch träge und halbangestrengt rumgrübele, wie dieses eine Album hieß… (“na, ihr wisst schon, dass eine eben halt …. Das mit diesem geilen Artwork …“), sind andere natürlich schneller und plärren die Antwort in den Raum. Denn nach einer Fragerunde, die in Stillarbeit von den Gruppen bearbeitet wurde, punktet jetzt die Gruppe, die die Antwort am schnellsten laut ausruft. Die Quiznight ist echt abwechslungsreich, Till Bürgwächter hält sein Publikum beispielsweise mit einer Songraterunde sowie ausgefeilten Fragen auf Trab. Er hat sich Mühe gegeben, seine Themen vielfältig zu gestalten, und so werden neben Musikwissen auch Kenntnisse über die Filmindustrie, Wrestling oder sogar den ADAC abgefordert. Für jeden ist etwas dabei und alles hat irgendwie und natürlich total wichtig mit der Musikszene zu tun. Pussy Waggon amüsiert sich inzwischen ansteckend köstlich, weil sie zur Halbzeit schon punkteweit zurückliegen und Tills wohlwollenden Witzeleien ausgesetzt sind. Ich verdrehe ein wenig die Augen und knuffe ihm empört in die wohlgenährten Rippen, obwohl ich zugeben muss, dass ich selbst liebend gerne mit den Klischees spiele, um diese immer wieder zu durchbrechen. Unterschiede und Rollenmuster existieren ohne Frage, aber sie sind bestimmt nicht ehern festgeschrieben. Also: Mut zur großen Klappe und vor allem Mut zur Lücke! Und dann plötzlich holen Pussy Waggon beim Satan-Malwettbewerb gefährlich schnell auf und so erntet an diesem Abend jeder eine gerechte Portion Ankerkennung. Doch vor allem bleibt die Quiznight ein höllischer Spaßfaktor mit Chance auf richtig fette Preise, wie z.B. With-Full-Force-Festivalkarten oder 50€-Verzehrgutschein in der guten alten und doch immer neuen Klaue.
Nächster Termin:
Donnerstag, 27.08.2015 | Quiznight 4.0 | Beginn 21 Uhr (pünktlich!) | Klaue, Wallstraße 21 BS | Eintritt frei