
Marίa de Buenos Aires
Tango-Operita von Astor Piazolla
In das Herz eines jeden Theaters lädt das Staatstheater Braunschweig die Zuschauer zur nostalgischen Inszenierung Philipp Kochheims ein: Auf die Bühne des Großen Hauses. Dieser begrenzte Raum dient als Spielfläche, Orchesterpodium und Zuschauerraum. Ein sich gewinnend aufdrängendes Kammerspiel, dessen Sinnlichkeit man sich nicht zu entziehen mag, umhüllt den Zuschauer mit zahlreichen Gefühlsfacetten.
Text: Alkmini Laucke | Fotos: Volker Beinhorn
Sinnlichkeit ohne guten Ausgang
„Der Duende“ erinnert sich im fortgeschrittenen Alter an seine große unerfüllte Liebe, welche er nie vergessen konnte. Er beschwört Marias Geist herauf: „Marίa de Buenos Aires – Tango in Menschengestalt“. In seinen Gedanken gibt er sich ihr nochmals hin. Er muss erkennen, dass er für sie nur einer von vielen war und das diese bittersüße Liebe nur durch seinen Tod enden kann.
Choreografische Herausforderung
Kochheim inszenierte dieses Stück mit sparsamer Requisite, mit Zeitungsstapeln, einem Schreibtisch und Stühlen auf den Punkt dosiert, so dass nichts von den Akteuren ablenkte. Die Beleuchtung (Frank Kaster) unterstrich diese emotionale und überwiegend schwere Stimmung. Die Kostüme (Barbara Bloch) wurden klassisch ausgewählt. Auch hier kein „zu viel“ – die Kleidung betonte, dominierte jedoch nicht.
Die Choreografie (Sean Stephens) war hervorragend und an die Besonderheit des „rund-um-Einblicks“ gebunden. Es gelang Stephens, die Bühne in ausnahmslos jede Tanzrichtung zu nutzen und die Choreografie in einer vollendeten Harmonie von (Bühnen-)Raum und verfügbarer Zeit einzubinden. Diese choreografische Herausforderung erinnerte an die Inszenierungen auf dem Burgplatz, von der selbst der Hollywood Regisseur John Badham nach unserem gemeinsamen Besuch der Vorstellung „West-Side-Story“ im Juli einräumte (Kult-Tour berichtete), nicht sicher zu sein, ob er dieses bewältigen würde.
Yamil Borges – Tango in Menschengestalt
Yamil Borges in der Titelrolle der Maria war eine hervorragende Wahl. Rassig, sinnlich, erotisch und tiefsinnig füllte sie die Bühne schon allein durch ihr Auftreten. Ihre warme Altstimme trug all die gesammelten Gefühlssequenzen zusammen. Gänsehauterlebnis.
Stefan Ostertag überzeugte als alternder, verzweifelter Mann. Durch die zum Teil monotonen Sequenzen wusste er die melancholische Stimmung sehr gut zu transportieren.
Charisma und Ästhetik
Philipp Georgopoulos in der Rolle des Payador, bestach durch sein Charisma. Ästhetisch ist nicht nur sein Tanz, gleichwohl sein aufrechter und stolzer Gang.
Die Kombination von Tanz und Gesang stellt eine besondere Liga dar, wobei sich im Stimmvolumen dieses Künstlers noch weitere Ressourcen vermuten lassen.
Im Pas de deux mit der Tänzerin Nicole Lucetic schwebten die beiden elegant durch das Geschehen und über das Parkett. Die überaus fließenden Bewegungsabläufe wurden eher klassisch-affin als im tangotypischerem Staccato getanzt. Nicole Lucetic bestach durch präzise Fuß- und Beinarbeit einhergehend mit hoch ästhetischer Armführung.
Auch der Blick auf Johanna Motter – ein Genuss!
Johanna Motter ist nicht nur die reduzierte Auswahl des Orchesters äußerst gelungen. Sie schrieb das für elf Orchestermusiker geschriebene Stück auf eine kleinere Fassung für sechs Musiker um, welche somit direkt im Bühnengeschehen involviert werden konnten. Sie dirigierte und begleitete am Flügel. Josef Ziga (Violine), Günther Westenberger (Flöte), Nikola Milo (Bandoneon), Andreas Lakeberg (Gitarre) sowie Jörg Oesterle (Percussion) agierten ausgeglichen miteinander. Selbst der Blick auf das Orchester unter der Leitung Motters wurde zum Genuss!
Durch die begrenzten Zuschauerplätze gibt es für die folgenden Vorstellungen ggf. nur noch Restkarten. Es lohnt sich, auf lange Sicht Karten für das nächste Jahr zu sichern. Aber vielleicht mag auch die Theaterleitung der großen Nachfrage Rechnung tragen und weitere Vorstellungen ermöglichen.