
Beten sie auch manchmal zur Santa Prekaria?
„Willkommen im Prekariat. Ein heiter rebellisches Gesellschaftsstück“ am 07.02.2014 in der DRK Kaufbar: Während mein Studentenkind und ich noch die Bingozettel nach den schnell in die Runde gesagten Zahlen verglichen, jetzt natürlich in Erwartung irgendwie ein „Bingo“ ausrufen und gewinnen zu können, stand eine junge Dame aus dem Publikum auf. Bingo-Bruno war ebenfalls erstaunt, aber sie übernahm geschickt quasi die Führung und somit den Abend: Kathrin Reinhardt, als Angelika Bauer, just aus Osnabrück angereiste Langzeitarbeitslose, in der Kaufbar gestrandet. Sie hatte während der Zugfahrt ihre Geschichte, den Weg ins Prekariat, zu einem Musical verarbeitet, Bingo-Bruno sei ihr aus Funk und Fernsehen als guter Musiker bekannt…nun könne sie es endlich mit Hilfe des Publikums auf die Bühne bringen….und genau da setzte das eigentliche Theaterstück ein…Rasant…
Text und Fotos: Angelika Stück
Der freundliche Kassenmann sagte mir, ich stünde nicht auf der Kartenliste und man sei ausverkauft…Menno (…dabei hatte ich Tage vorher vorbestellt und noch 3x meinen Namen in den Hörer buchstabiert, wie so oft, da Niemand glaubt, dass ich wirklich Stück heiße….). Wieder gehen wollte ich auf keinen Fall, jetzt war ich neugierig und meine Kamera geladen. Außerdem war mein Studentenkind dabei und ich hielt es für pädagogisch wertvoll, mit ihm Kultur zu erleben!! Den bittenden Blicken und unserer aufsteigenden Enttäuschung konnte der Kassenmann dann doch nicht widerstehen und hatte Gnade, andere kamen leider nicht so davon und mussten wieder gehen und auf die nächste Vorstellung hoffen….Wir waren also ausgesprochen dankbar! Wir bekamen Bingokarten in die Hand gedrückt und betraten den Raum. Erwartungsvoll setzten wir uns in die mit Stühlen und allen möglichen Sitzgelegenheiten ausgestattete Kaufbar, in der nur ein kleiner Gang im Kreis drumherum freigelassen war.
Am Rand der Bühne stand ein Spieltisch mit dem Schild: Bingo Bruno. Das klang ja schon mal interessant.
Ruck-zuck füllte sich die Kaufbar bis auf den letzten skurrilen Sitzplatz und Bingo-Bruno (super gespielt von Jan Fritsch) wies uns an, das letzte Getränk zu bestellen, da gleich die Bar geschlossen werde und man begänne. Also nochmal alle an die Theke, während Bruno sich ein 70er-Jahre Glitzersakko überwarf. Gut versorgt ging`s dann aber los…und das in einem so sprudelnden Tempo das man zunächst wirklich an die Quiz-Shows der 70er erinnert war!! Fehlte nur noch der Hoppsa und ein „Das war Spitze!“
Mit Wortwitz und gleichzeitig unglaublichen Informationen zu allem Prekären wurden uns die Bingoregeln erläutert, das Prekariat erklärt, das Gerät überprüft und die ersten Zahlen um die Ohren gesungen.
Ja, denn Bingo- Bruno erwies sich außerdem als erstklassiger Saxophonspieler und Sänger. Man strich die ersten Zahlen ab, was zu allgemeiner Geschäftigkeit im Publikum führte. Insgeheim dachte ich: “Huch ein Spieleabend? Sollte das nicht ein Theaterstück werden“ (…Ich war wie meistens völlig unvorbereitet auf das, was mich erwartete und genau das macht für mich aber immer den Reiz aus…so überrascht man sich quasi immer selber auch ein wenig…)
Während mein Studentenkind und ich noch die Bingozettel nach den schnell in die Runde gesagten Zahlen verglichen, jetzt natürlich in Erwartung irgendwie ein „Bingo“ ausrufen und gewinnen zu können, stand eine junge Dame aus dem Publikum auf. Bingo Bruno war ebenfalls erstaunt, aber sie übernahm geschickt quasi die Führung und somit den Abend:
Kathrin Reinhardt, als Angelika Bauer, just aus Osnabrück angereiste Langzeitarbeitslose, in der Kaufbar gestrandet…Sie hatte während der Zugfahrt ihre Geschichte, den Weg ins Prekariat zu einem Musical verarbeitet, Bingo- Bruno sei ihr aus Funk und Fernsehen als guter Musiker bekannt…nun könne sie es endlich mit Hilfe des Publikums auf die Bühne bringen….und genau da setzte das eigentliche Theaterstück ein…Rasant…Kathrin Reinhardt schaffte es rein durch ihr Spiel und ihre Ausstrahlung, Bilder in den Kopf zu bringen. Es bedurfte keinerlei weiterer Ausstattung.
Ein Stuhl und das vorhandene Ambiente reichte völlig aus, man sah es durch ihr fantastisches, bildhaftes Spiel förmlich vor sich. Den arroganten, überheblichen Chef, die naive Arbeiterin, den Schock der Entlassung, der Gang zur Agentur für Arbeit mit dem grauen Amtsgebäude und den langen Gängen.(Wundervoll dargestellt die Dame vom Amt mit herrlich „merkelesken“ herabgezogenen Mundwinkeln).
Das Publikum kam nicht dazu, sich auszuruhen und bloß zu konsumieren, es war mittendrin, wie auch die Bühne überall war.Man war Zuschauer, Mitregisseur, Mitspieler, Mitprekariatsmitglied. Es wurde getanzt, Hände geschüttelt, angesprochen…Ja selbst das Motivationscoaching, welches die Darstellerin von der Agentur für Arbeit auferlegt bekam, machten wir gleich alle mal eben mit.
Shaka, wir denken jetzt positiv!!! Herrlich!
Und zwischendurch immer mal ein Gürkchen gegen aufkommenden Stress bei der Hauptdarstellerin.
Das Publikum war völlig im Bann und man war gespannt, was als Nächstes kam. Selbst als sich Bingo-Bruno zur Depression umzog, im weißen Baumarktsschutzpapieranzug – mit Loch, welches die innere Zerrissenheit betonte – blieb das breite Grinsen auf den Gesichtern bestehen.
Die gesamte Darstellung war so gut und aussagekräftig, dass man einfach sofort mitgerissen war und wusste, was gemeint ist. Das kannte Jede/r…selbst wenn man von Santa Prekaria bisher nie gehört hatte. Bei so einem flotten und unterhaltsamen Spiel war man am Ende direkt froh, endlich im Prekariat willkommen geheißen zu werden.
Tosender Applaus – zu Recht!
Hinterher sind übrigens alle noch geblieben….Schauspieler und Zuschauer im regen Austausch, die Theke war dann auch wieder auf und Niemand wollte gehen. Das Prekariat schweißt eben zusammen!
Mehr davon und hier nochmal ein Riesendankeschön an Kathrin Reinhardt und Jan Fritsch!
Nächste Aufführung: 22.02.2014 in der DRK Kaufbar.