
Kochrezept für Leben süß-sauer
Zitrone Rock! Solopogramm, doch ich lerne es nie zu flüstern! Als ich in der DRK Kaufbar ankomme, springt mir Andreas Soluk entgegen und verkündet ganz leise: „Hallo, ich bin die Kasse!“ Eine dazu unverhältnismäßig lautstarke Wechselgeldtauschdebatte entsteht, denn die ‚Kasse‘ braucht Kleingeld, um einem zahlenden Gast den passenden Betrag herauszugeben. Wie schwer kann es sein, einen 10 Euro Schein in zwei Fünfer zu wechseln? Wir amüsieren uns auf jeden Fall köstlich über unsere Mathetalente und dabei bemerke ich nicht sofort, dass im hinteren Raum die Show schon begonnen hat. Zitrone Rock führt Heute sein neues Soloprogramm auf und steht gerade im Predigerkostüm auf der Bühne. Also: Pssssst, meine Damen und Herren! Und…
Text: Stefanie Krause | Fotos: Angelika Stück
Ich fühle mich ein bisschen wie der grölende Punk in der Kirche, denn der bis auf den letzten Platz besetzte Saal lauscht mucksmäuschenstill. Wer sich von den Anwesenden also fragt, wer da ersten zu spät und zweitens zu laut zur Ansprache gekommen ist. Ich war’s. Woher soll ich auch wissen, dass der Zitrone Rock so pünklich beginnt?! Obwohl, doch das müsste ich wissen, denn ich habe Zitrone Rock als ein sehr gewissenhaftes Punkerexemplar kennen gelernt. Punk und Pünktlichkeit stecken tief in seinem Herzen und das ist bestimmt noch nicht alles, was seine Persönlichkeit ausmacht. An einer bunten Auswahl seiner Intentionen und Explosionen lässt er das Publikum Heute ganz exklusiv teilhaben. „Entwicklungsziel Akzeptieren“ lautet der Titel seines teils gewagten, teils ganz bodenständigen, immer grundauthentischen und manchmal wirr-sympathischen Bühenexperiments. „Was ist bei dem vielen Hin und Her im Leben denn das Ziel“ ist die Frage, um die sich alles dreht. So liest man es in Zitrones Einladungstext und auch auf der Bühne fragt er sich und das Publikum diese und ähnliche Fragen rund um die menschliche Existenz. So versucht Zitrone Rock in Geschichten aus seiner Vergangenheit, Antworten zu finden, und beginnt zu erzählen.
Damals. Als wir noch jung waren?! Als wir Punk geworden sind und in jugendlichem Leichtsinn eine Band gründeten!? Die Mischung aus ausgelassener Freude über das Jetzt, denn jetzt steht Zitrone auf der heiß geliebten Bühne, und melancholischer Nostalgie, denn in verrgangenen Zeiten war vielleicht doch alles noch ein bisschen freier als es jetzt ist, prägt Zitrones Auftritt. Das macht Zitrone Rock aus, er ploarisiert und schwankt zwischen den Polen, und davon gibt es bei ihm bestimmt nicht nur zwei. Kindliches Albern wechselt plötzlich in ernsthaftes Vorlesen, zugleich ernste und ironische szenische Aufführungen münden in improvisierten Lagerfeuerlieder auf der Akkustikgitarre, Pantomime in wechselnden Outfits und holperige Bühneakrobatik auf den Möbeln der Kaufbar werden von punkigem Geschrammel auf der E-Gitarre verdrängt. Manchmal übertönt Zitrone nahezu sich selbst und so fragt sich der Zuschauer manchmal: Ernst oder Spaß, Professionalität oder Alberei? In der Tat trifft es das Motto des Abends sogar sehr gut: „Was ist bei dem vielen Hin und Her denn eigentlich das Ziel?“ Was angekündigt war, wird hier live und in Farbe auf die Bühne gebracht.
Eins ist der Aufttritt allemal: sehr amüsant! Zitrone Rock gewinnt mit den inszenierten Irrungen und Wirrungen des Lebens die Aufmerksamkeit des Publikums, welches daher auch so langsam aus sich herauskommt. Die ersten Winterjacken fallen, denn im Gegensatz zu draußen, wo der erste Schnee dieses Winters fällt, ist es in der Kaufbar sehr warm und Zitrone Rock sprüht nicht nur Shirts, sondern auch herzerwärmende Lebenslust. Und wer so etwas kann, dem verzeiht man auch mal einen schiefen Ton! Bügeln kann er dafür absolut souverän und durchweg professionell. Die Wenigsten geben soviel Dampf auf der Bühne und bleiben dabei noch so cool! Auch wenn das Telefon klingelt, vergisst Zitrone das heiße Eisen nicht auf dem hitzeempfindlichen Synthetikhemd. „Hallo, Rock am Apparat“, spricht er bügelnd in den Hörer und spätestens an dieser Stelle ist es um uns geschehen. Als meine Begleitung ungehalten zu kichern anfängt, gibt es kein Zurück mehr. Es ist wie in der Schule: Die in der letzten Reihe kaspern immer! Es dauert nicht lange und unsere Platznachbarn kichern sich mit uns die Tränen in die Augen und kriegen sich gar nicht mehr ein! Ich habe es ja gesagt: Flüstern und still sitzen fällt mir schwer und Manchen mag das bestimmt stören. Doch Zitrone Rock würde dazu voller Inbrunst sagen: „Da pfeif‘ ich drauf“ Denn ich darf sein, wie ich bin. Und Zitrone Rock ist halt Zitrone Rock. So ist er, diese extrovertiert-introvertiert-mysteriöse Gestalt in selbstgestaltetem Sprühshirt, zerfetzter Jeans und Anti-Hipster-Brille. So ist er – dieser Zitrone Rock, der nicht davor zurückschreckt, das Bügeleisen zum essentiellen Bestandteil seiner Show zu erheben. Ewig grüßt der Alltag doch der Punkt lebt weiter! Man sollte das Leben, den Alltag, den Punk und vor allem Zitrone Rock mit Humor nehmen. Und das ist auch gut so!
Es klingt so einfach, ist es aber nicht. Man muss Mut haben, so zu sein, wie man ist! Man muss auch Mut haben, auf die Bühne zu steigen! Dabei gilt manchmal einfach: Mut zur Lücke! So ist es auch im Leben. Es ist erstmal egal, wie man etwas tut, Hauptsache man TUT es! Von daher: Jeder von uns hat die Möglichkeit, sich ein Stückchen Zitrone abzuschneiden und sich damit sein Leben – sowie das der Anderen – zu versüßen und bestimmt nicht zu versauern. Es ist wie beim Kochen, die richtige Mischung aus den Geschmäckern macht es erst richtig harmonisch und ein Spritzer Zitrone bringt meistens den gewissen Pepp!
Die nächsten Termine von Zitrone Rock:
T22.02.2014 – Trickster, Oberbaumstr. 11 in Berlin-Kreuzberg
03.07.2014 – DRK Kaufbar, Braunschweig, abendfüllendes Solo-Programm „Entwicklungsziel Akzeptieren“ 02.08.2014 – UJZ Open Air, Peine, Headliner/Rausschmeißer