
In der energetischen Vereinigung echt dufte
Da sitze ich also an einem Samstagabend, den 14.12.2013, mit meinen Mörder-High-Heels und lausche lustvollen Geschichten von the_climbing_rose. Sie räkelt sich auf einem romantischen Bett und ein erotischer Duft benebelt unsere Sinne. Stop! keine schmutzigen Fantasien, ihr lieben Leser und Leserinnen. Denn die Autorin und ich sind nicht alleine in diesem Literaturschlafzimmer des Kunstlichtmillieus. Über 25 Gäste haben sich in einem Atelier eingefunden und möchten eine Duftkunstinstallation mit erzählererischem Potential erleben. THE BLÖ macht die heutige Lesung zu einem ganz besonders duften Termin. Nun dürft ihr: Taucht ab in eure tiefsten Fantasiewelten…
Text: Stefanie Krause | Fotos: Angelika Stück
11cm-Absatzschuhe sind nicht unbedingt das beste Schuhwerk für eine Kult-Tour, denkt ihr. Doch zu diesem Anlass musste ich dieses Spiel unweigerlich mitmachen und Mitglied der Stöckeltruppe werden. Sowohl die Autorin als auch der Künstler selbst balancieren heute auf gefährlich hohen Absätzen. Mit ungewohnt verlängerten Beinen sitze ich also auf einem sehr niedrigen Klapphocker wie der sprichwörtliche Affe auf dem Schleifstein und bekomme ziemlich animalische Geschichten vorgelesen. Die Kurzgeschichtenautorin the_climbing_rose hat es gemütlicher. Elegant rankt sich die Rose über ein flauschiges Bett und kann sich dabei genüsslich ihren Texten hingeben. Mitten im Atelier in der Pestalozzistraße befindet sich dieses Interieur und gestaltet den Kunstraum Bildfläche HANNO STÜCK zu einem sündigen Leseschlafzimmer. Ganz eng sitzt der Gastgeber persönlich neben mir und hört der Leserin zu. Es ist nicht auszumachen, ob eine leichte Schamesröte seine Wangen erhitzt, denn das irisierende Licht, welches die Grenze der Dunkelheit kaum überschreitet, umschmeichelt uns alle mit tiefrotem Schleier. Geht es gerade um den Bildenden Künstler in Aktion? The_climbing_rose erzählt von einer rasenden Begegnung auf einer Toilette eines seinem Arbeitsplatz irritieren ähnlichen Kunstatelieres. Hier fiegen nicht nur die Malerpinsel. So kommt es, wie es kommen muss: Der Inhalt aus umkippenden Terpentinflaschen und andere Flüssigkeiten ergießen sich im Eifer des Gefechts!
Natürlich bleibt dies alles Fiktion, denn es enstpringt aus dem reichen Fantasierepertoire der Autorin. Zwischen den Lesungen entstehen ihre Kurzgeschichten manchmal ganz spontan, erzählt sie, und auch mir sind noch nicht sämtliche sechs Geschichten bekannt, obwohl ich the_climbing_rose erst kürzlich in der Artbox hören durfte. The_climbing_rose folgt offenbar ihrem schier unersättlichem Drang – zu Schreiben – und bewirkt damit beim Publikum einen unbändige Lust auf mehr. Im Vergleich zu der Lesung in der Artbox hat sich die Zahl der Interessierten mehr als verdoppelt. Männer wie Frauen trauen sich, dem erotischen Spiel beizuwohnen und ihrem eigenen Kopfkino freien Lauf zu lassen. Dafür lässt the_climbing_rose bewusst die nötige Zeit. Raunend und betont langsam trägt sie die Zeilen vor, die eher durch ihre Schlichtheit und die Kunst des Auslassens bestechen wollen. Zwischen den Pausen entstehen weitere Fantasiewelten, und zwar in den Köpfen der Zuhörer. Manchmal scheint dieser Effekt ein Gefühl der Verunsicherung auszulösen. Besonders bei den männlichen Gästen meine ich manchmal einen beschämtet Blick zur Decke zu entdecken. Sie hören dei Dinge bei dieser Lesung aus der Perspektive einer Frau und das mag nicht immer so lieblich zu sein, wie sie sich das vorstellen mögen. Bei den Frauen beobachte ich vielmehr, wie sich ihre Münder immer wieder zu einem abgeklärten Schmunzeln formen. Sspieglet sich hierbei möglicherweise auch einen Hauch von Überlegenheitsgefühl wieder? Man weiß es nicht, jeder darf mit seinen Gedanken für sich sein und bleibt dennoch in Gesellschaft.
Doch nicht nur in den vorgetragenen Geschichten vereinigen sich die Geschlechter. Im Raum hängt ein schwer Duft, der in sich eine männlich herbe Note mit weiblich blumigem Duft vermischt. Das offenbart das ganz Besondere an dieser Lesung, denn alles ist Teil einer Duftkunstinstallation von THE BLÖ. Der Künstler Torsten Siegfried Haake-Brandt hat sein Parfum mitgebracht und eine ordentliche Portion im Raum versprüht. Mit verführerischen Posen und in immer neuen „BLÖen“ Outfits wiederholt er diese Prozedur und legt sich gerne auch mal lassiv zu the_climbing_rose dazu. Ab und zu wirft er währenddessen den Gästen beschwörerische Blicke zu, von denen einige – wie auch ich – zwischendurch zu gerne an ihren Handgelenken schnuppern. Denn vor der Veranstaltung hat der Künstler allen Gästen einen Hauch Parfum auf der Haut zerstäubt. Links bekomme ich THE BLÖ Men verpasst und am rechten Handgelenk THE BLÖ Woman. Sinnliche Perspektivwechsel und schöpferische Verbindungen von angeblich Ungleichem stehen heute offensichtlich ganz oben auf dem Programm.
THE BLÖ berührt meine Haut. Ich erspüre, wie der Geruch mit meinem verschmilzt und sich zu einer ganz individuellen Note entwickelt. THE BÖ ist zu hundert Prozent Natur, was diese Duftschöpfung der bekannten und weltweit agierenden Parfumkreateurin Kim Weißwange von den meisten Parfums unterscheidet. Schließlich sind wir hier nicht beim Duftdiscounter, sondern erleben THE BLÖ – einen Duft, der eigens für den Künstler persönlich zusammengestellt wurde und im Rahmen einer sorgfältig inszenierten Kunstaktion angeboten wird. Mit THE BLÖ im Gepäck reist Torsten Siegfried Haake-Brandt durch ganz Deutschland und besucht dabei auch Braunschweig. Lesung, Duftkunst und geselliges Event ergeben in Kombination einen wunderschönen Abend. Angeregt unterhält man sich während der Verschnaufpause bei Sekt und von Angelika Stück extra für heute gebackenen Dödelkeksen, die zwar nicht wie auf Anja Sniehottas Foto „blö“ gefärbt wurden, aber echt mal lecker sind. Es gehört ein bisschen Mut dazu, sich dem pornösen Gebäck mit dem Mund zu nähern. Aber hat man es einmal getan, kann man nicht mehr davon lassen.
Auch mit dem Buffet haben sich das Ehepaar Stück sehr viel Mühe gegeben und besonders der original Käseigel sorgt für amüsante Abwechslung an diesem sinnlich verdichteten Abend. Die Mischung macht es eben! Verbinden sich die Dinge auf harmonische Art und Weise, entsteht im Raum und auf allen Ebenen eine positive Energie. Zwischen Mann und Frau, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Körper und Geist, zwischen Duftkunst und erotischer Lesung. An dieser Stelle möchte ich mich auch dafür bedanke, dass Kult-Tour Braunschweig einen Betrag leisten konnte, indem ein Kult-Tour Geschenk überreicht werden durfte. Ein durchweg dufter Abend, bei dem sich besonders im Ausklang jeder locker macht. Nur hatte ich nicht genügend Mut, um the_climbing_rose auf die Toilette zu begleiten, obwohl wir Mädchen sowas ab und an ganz gerne tun. Hilfe! Mut fur ein nächstes Mal erotische Lesung und Duftinstallationen habe ich aber allemal! Mehr davon!