
Die Kunst des Kochens auf der VoKü
Es riecht schon richtig lecker nach Essen, als ich am 12.12.2013 vor dem Nexus ankomme. Im gemütlichen Kneipencafé des Veranstaltungsorts für unkommerzielle Veranstaltungen und unabhängige Kultur wird heute wieder in großer Gemeinschaft gekocht. Jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat findet die VoKü statt, diese Volkxküche bietet gegen eine kleine freiwillige Spende eine ordentliche Portion auf den Teller und eben die Möglichkeit, in netter Runde zu kochen, neue Küchentricks auszuprobieren und sich über Ernährung auszutauschen. Denn was seit einiger Zeit ganz schön in Mode gekommen ist, ist im Nexus schon seit langem selbstverständlich. Bei der VoKü wird vegetarisch oder sogar vegan gegessen. Doch nicht nur Vegetarier und Veganer sind eingeladen. Alle sind herzlich dazu aufgefordert, mitzumachen und über bewusste Ernährung zu diskutieren. So auch im anschließenden Vortrag…
Text und Fotos: Stefanie Krause
Ohne Fleisch oder ganz ohne tierische Produkte anspruchsvolle Gericht zu zaubern, ist gar nicht so einfach. Doch da die Truppe vom Nexus Verein sich bestens damit auskennt, gibt es auf der VoKü bestimmt kein trockenes Toast mit veganem Brotaufstrich vom Discounter. Dieses Mal gibt es würziges Gyros mit buntem Gemüseratatouille und Manuela rührt in einem mächtigen Topf mit einem überdimensionierten Holzlöffel den Couscous an. Diese Beilage besteht aus Hartweizengries und ist uns vor allem aus der orientalischen Küche bekannt. „Der Couscous ist gleich fertig. Dann können wir essen!“, verspricht Manuela meinem hungrigen Magen. Sie ist noch nicht so oft im Nexus gewesen und bei der VoKü zum erstem Mal dabei. Doch das merkt man kein Stück, denn sie ist wirklich mitten drin und fleißig dabei. Alleine hergekommen wurde sie sogleich in die Kochtruppe integriert und mischt jetzt munter mit bei der Nexus-Küchenschlacht.
Viele Köche verderben hier offenbar nicht den Brei! So mimt Lilly unter den vielen emsigen Küchenhelfern den Allrounder und supervisiert souverän die riesige Grillplatte, auf der das Gyros vor sich hin brutzelt. Trotz entspannter Improvisation und Mitmach-Mentalität steckt hinter der VoKü eine Menge Professionalität. Die von den Vereinsmitgliedern selbstgebaute Küche des Nexus ist für diese groß angelegte Gruppenkochaktion bestens ausgestattet. Da der Couscoustopf alle vier Herdplatten dreist für sich beansprucht, muss das Zuccini-Tomate-Paprika-Möhren-Geschnippel auf einer externen Gasstation im größentechnisch nicht unterlegenen Gemüseeimer gar werden. Das gigantische Gewürzregal, welches an eine wuchtige Version eines Kaufladens für Kinder erinnert, ist rollbar und kann nachdem alle Bäuche gefüllt sind praktisch ins Lager zurückgerollt werden. Aber jetzt greift sich erstmal jeder Teller und Besteck, kauft sich für kleines Geld eine Brause, einen Rotwein oder ein zünftiges Bierchen an der Theke und setzt sich mit allen gemeinsam an den Tisch. Es ist angerichtet! Ein Besucher prüft ein letztes Mal den Geschmack des veganen Zazikis und strahlt mich stolz an: „Das habe ich gemacht!“ Ja, schmeckt sehr gut! Beim Essen vertiefe ich mich dann mit Vera von der ehemaligen Galerie Herzblut in kunstwissenschaftliche Debatten und nerve nebenbei meinen mir bisher noch unbekannten Tischnachbarn mit der Kamera. Dieser lässt dies nett und geduldig über sich ergehen. Leider werden die Fotos nichts, denn Blitzen will ich nicht. Es ist im schön gestalteten und lauschig beleuchteten Caféraum in diesem Moment einfach zu gemütlich. Das gemeinsame Schlemmen könnte kein besserer Anlass sein, um neue Leute kennen zu lernen und sich schlicht und ergreifend locker zu machen, dabei möchte ich uns nicht stören. Das ist einer der vielen Pluspunkte am Nexus: Weit entfernt von unnötiger Maskerade, ausgehöhlten Rollenmustern oder aufgeblasenem Partygehabe kann hier jeder einfach so sein, wie er ist.
Neben der angenehmen gemeinschaftlichen Atmosphäre bietet das Nexus auch viel inhaltlichen Input. So ist zum Beispiel die Kieler Ökotrophologin Jutta Henriksson auf den Verein zugekommen und hält heute einen Vortrag über „Vegan ernähren, aber wie?“. Dafür wurde der große Konzertraum des Nexus zum Diskussionsforum umgewandelt. Zahlreiche Sofas und Stühle stehen den Zuhörern zusammengerückt als Sitzgelegenheiten zur Verfügung und Jutta präsentiert per Beamer ihr Folien. Es geht ihr bei ihrem Vortrag aber nicht nur um die vegane Ernährung oder gar darum zu missionieren. Sie selbst ist momentan keine Veganerin mehr, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass eine gesunde und vollwertige vegane Lebensweise nicht ganz leicht umzusetzen ist. Daher möchte Jutta infomieren, ihr Wissen weitergeben aber auch im Allgemeinen über das Thema Ernährung in unserer Gesellschaft und weltweit zum Nachdenken anregen. Dieses persönliche Anliegen hat sich während ihres Studium der Ökotrophologie entwickelt. „Irgendwann ging es nur noch um Ökonomie“, beginnt sie ihren Vortrag. Doch die „VWL-Regel: Mit Handel geht es allen besser“ kann Jutta nicht unterstreichen, denn nur „uns in der 1. Welt geht es gut, nur deshalb können wir wegwerfen. Dabei vergessen wir oft, dass in vielen Teilen der Welt akuter Hunger herrscht.“
Neben den praktischen Tipps zur veganen Lebensweise, die in der Runde rege diskutiert und ausgetauscht werden, wird an diesem Abend also für eine bewusste Einstellung zum Thema Ernährung plädiert. Denn in unserer Gesellschaft greift stattdessen eine Konsumhaltung um sich. In diesem Rahmen werden oftmals weder das wichtige Gut ‚Nahrung‘ in seinem grunsätzlichen Sinn, noch die Rechte und Befindlichkeiten der Nutztiere be- und geachtet. Im Zuge dieser Entwicklung wurden nicht nur Fleisch, Fisch und tierische Nahrungsmittel wie Milch, Käse und Eier zum Wegwerfprodukt stilisiert, sondern im Prinzip das Nahrungsmittel an sich zum reinen Konsummittel erklärt, obwohl es eigentlich LEBENSmittel ist. Gegen diese Wegwerfmentatlität möchte auch die Volkxküche des Nexus-Vereins ein Zeichen setzten und bemüht sich beispielsweise oft um Obst und Gemüse, welches auf Märkten aus lediglich optischen Gründen nicht mehr verkauft werden darf. Im Anschluss wird daraus in der brodelnden Nexus-Küche etwas Leckeres gezaubert. Auf entspannte Art und Weise demonstriert die VoKü, dass es bestimmt nicht des Rätsels Lösung ist, auf alles demütig zu verzichten. Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln setzt einen wichtigen Konstrastpunkt zur allgemeinen unreflektierten Konsumhaltung. Dazu gehört auch das anständige Kochen mit guten Zutaten. In diesem Sinne: Wir haben richtig gut gegessen!
Die nächsten Termine im Nexus:
- Heute 13.12.2012: Soulparty
- „Werkzeuge zur Weltverbesserung: Eine kleine Aktivismus-Akademie im Nexus.„Ab diesem Monat findet eine fünfteilige Fortbildungsreihe für politisch Aktive im Nexus statt! Am 14.-15.12.2013 macht ein Fundraising-Seminar den Anfang, damit gute Ideen nicht am Geld scheitern
- Doom/Black/Postmetal Konzert Abest+Planks am 14.12.2013
- Fahrt ins Jüdische Museum in Berlin am 15.12.2013