
Meine persönlichen Erlebnisse und Gedanken zum Protest an der HBK

In einem Atelier am Artmax. Der Schriftzug sagt: „Eingeschränkter Zugang zu Ateliers, Werkstätten, nicht besetzte Professuren, ungenügend ausgestattete Werkstätten sowie lange Wartezeiten in Werkstätten, personelle und finanzielle Unterbesetzung, unsichere Raumsituation, fehlende Transparenz, fehlende Kommunikation, fehlendes Vertrauen und Kontrollkultur. So können wir nicht arbeiten.“ v.l.n.r.: Dirk Schadt, Markus Hörster, Stefanie Krause
Direkt am Tag der Eröffnung des HBK-Rundgangs erreicht mich die Information über eine Internetseite mit dem Alternativprogramm des diesjährigen studentischen Protestes, der anfänglich sogar als Boykott des offiziellen Rundgangs angedacht gewesen sein soll. Ok, ok, sicher hat man im Vorfeld schon von einem Protest munkeln gehört, doch so richtig in den Gang gekommen ist die Kommunikation nach außen leider nicht. Also lese ich jetzt das Statement auf der Webseite. Die Studenten scheinen unzufrieden mit den aktuellen Bedingungen an ihrer Hochschule, es geht um allerhand Einsparungen und Kürzungen, unter denen die Studienqualität leide. Es geht um eine allgemeine Frustration. Und es geht um so viel mehr…um viele individuelle Meinungen zur derzeitigen Lage an Braunschweigs Kunsthochschule und persönliche Negativerfahrungen in der konkreten Studienpraxis, die sich in letzter Zeit offenbar häuften und nun tatsächlich zu einem gemeinsamen Protest geführt haben. So ist zumindest mein Eindruck, den ich während mehrerer persönlicher Gespräche auf meinem Rundgang entwickeln kann. Auf die Suche nach dem Prostest mache ich mich in den ersten beiden Tage des Rundgangs mit Radiomoderator, Blogger, Multimedia-Fleißiger und Irgendwie-Immer-Informierter Markus Hörster. Hier lest ihr von meinen persönlichen Erlebnissen und Gedanken.
Text und Fotos: Stefanie Krause
Zunächst: Verwirrung am Eröffnungstag, den 05.07.2017. Warum postet die Hochschule für Bildenden Künste auf ihren eigenen Kanälen den Hinweis auf den Protest und warum lese ich sonst so wenig in den sozialen Medien von der Gegenbewegung? Ist der Protest unter dem Motto „Gangstersparadise“, so zumindest der Titel der Webseite, bereits als Bestandteil im offiziellen Rundgangprogramm beheimatet? Ich, als Kind von 68er-geprägten Eltern, verstehe das auf den ersten Blick nicht so ganz, obwohl ich – zugegeben – persönlich auch nicht unbedingt die Krawallnudel bin, die sich jedem Wasserwerfer todesmutig entgegenwirft. Es ist schon absurd, denn scheinbar habe ich eine theoretische Blase im Kopf, in dem sich ein Verständnis von greifbarem und auch auf gewisse Weise aggressivem Aktivismus mit dem Begriff „Protest“ verbindet. Stattdessen erscheinen mir die Informationen auf der Webseite „Gangstersparadise“ fast friedlich und überall lese ich bei den einzelnen Standorten des alternativen Rundgangprogramms eine Einladung zum Gespräch. Gut, dann sollte ich also einfach losgehen und dieser Einladung Folge leisten. Was hilft’s! Und ganz ehrlich: Das ist im Grunde doch auch besser, als sich aus der Ferne eine Meinung zu etablieren, oder? Schnell droht sonst die Gefahr, sich ein Vorurteil zu bilden.
Markus holte mich wenig später ab und ich rohrspatze ein bisschen, dass „man“ doch wirklich im Vorfeld ein wenig mehr Kontakt zu kommunikationsfreudigen Braunschweigern – naja, wie eben uns Bloggern und Journalisten – hätte aufnehmen können. Doch wer ist eigentlich „man“, nun im Prinzip beide Parteien, wenn man hier eigentlich von getrennten Parteien sprechen kann. Ich meine in diesem Falle die Hochschule selber und die Studenten der Protestbewegung. Schade, dass wir so wenig von euch gehört haben! Jetzt gehen wir auf eigene Faust los und suchen das Gespräch. Zuerst in die Blumenstraße. Hier soll es um 14.08 Uhr eine „1. Aktion“ gegeben haben und ich meine die Spur dieser Aktion an einer Wand zu entdecken, die zum Innenhof des Ateliergebäudes an der Blumenstraße grenzt. „Die Eröffnung und Erschließung der Blumenstraße konnte ich nicht durchführen, weil ich das nötige Werkzeug nicht hier finden konnte. Till“ prangt hier still in rosa gesprayten Buchstaben an der Wand.
Auch sonst herrscht hier eine eher zurückhaltende Stimmung. Einige Studenten dekorieren den Hof mit Wimpeln, eine Holztheke steht in der Mitte, ich sehe die gewohnten Sitzgelegenheiten aus alten Sofas und am Eingang zu den Ateliers: Protestplakate. „Wer keine Verantwortung übernehmen will, der kann gleich wieder gehen“. Wir wissen noch nicht genau, wofür wir Verantwortung übernehmen können, als fragen wir nach, wie sich der Protest hier konkret gebaren will. Jede Klasse mache so ihr eigenes Ding, entnehme ich den Antworten. Die eine Klasse möchte zum Beispiel ihre Bilder verhängen, um sie vor Blicken abzuschirmen, andere Atelierwände sollen wohl ganz leer bleiben. Gucken kann man aber erst ab 18 Uhr, nach der offiziellen Eröffnung eben. Eröffnung wovon? Vom Alternativprogramm oder vom Rundgang selber? Ja, irgendwie von beidem. Glaube ich. In unserer protestwilligen Stimmung macht sich ein wenig Enttäuschung breit. Also auf zum nächsten Ort des Alternativprogramms: der Künstler-WG am Rudolfplatz 12. Man kann sagen: das ist wirklich auf gar keinen Fall ein offizieller Ort der HBK und des eigentlichen Rundgangs. Hier wohnen Künstler und haben eigeninitiativ ihren Wohnort zum Ausstellungsraum deklariert. Super! Am Eingang kommt mir zufällig Elmar Gajewi entgegen, ein umtriebiger Musiker aus Braunschweigs Urkultur. Schön, das spricht dafür, dass sich hier die Szenen vermischen und verknüpfen. Elmar ist vor Ort, um gleich für den studentisch organisierten Radiosender zu spielen. Der Radiosender sei während des Rundgangs aus Protest hier am Rudolfplatz 12 beheimatet und nicht wie sonst am Campus der HBK, erklärt man uns. Jeden Tag zwischen 18 Uhr und 24 Uhr soll bis einschließlich Montag ein Stream produziert und über http://141.41.19.7 live übertragen werden, hören wir von den Radiomachern. In den Wohnräumen ist die notwendige Technik dafür vorhanden. Interessant!
Selbstverständlich frage ich auch hier nach der konkreten Planung des Protestes und ob die Studenten einheitlich auftreten. Nun, es soll viele Diskussionen intern gegeben, manchmal viel zu viele Meinungen, die sich kaum unter einen Hut bringen ließen, schnell sei mancher genervt gewesen, dem einen seien die geplanten Aktionen zu wenig, dem anderen zu krass. Ja, ich kann mir vorstellen, dass es in Zeiten eines stark ausgeprägten Individualismus nicht einfach ist, einen gemeinsamen Protest zu organisieren. Jetzt ist es wohl so, dass viele kleinere Gruppen sich zusammengefunden haben und auch viele Kunstklassen etwas Eigenes für das Alternativprogramm auf die Beine gestellt haben oder die individuelle Form Protestes gefunden haben. „Eigentlich hat auch der am meisten Recht, der etwas tut“ sagt jemand und das stimmt. Mehr ist erstmal nicht herauszufinden, also machen wir etwas, was zum Rundgang ganz typisch ist: wir gucken Kunst! Und hier bin ich auch schon an dem Punkt, wo ich meine erste wärmste Empfehlung für die nächsten kunstvollen Tage aussprechen kann. Das Haus im Rudolfplatz 12 bietet in ungewöhnlicher Umgebung, eben dem privaten Raum, ein spektakuläres und dabei höchst nahbares Kunstprogramm! Einige Installationen und vor allem die komplett für mehrere Videoarbeiten abgedunkelte Wohnung hat es Markus und mir angetan. Krieg- und Friedensymbole treffen in manchen Videoarbeiten aufeinandertreffen. Das Badezimmer ergrünt nicht nur durch die Zimmerpflanzen, sondern auch durch das schimmernde licht einer riesigen Fernseherwand. In einem Schlafzimmer bannt uns ein Videoloop über die professionelle Einsargung eines lebendigen Menschen in die kontemplative Reflektion von Vergänglichkeit.
Dann ein Blick auf die Uhr. Oh, schon so spät! Obwohl wir uns dieses Jahr eigentlich nicht vom offiziellen Rundgangprogramm leiten lassen wollten, um einfach mal etwas anders zu machen, sondern eben vom Alternativprogramm auf Gangstersparadise, zieht es uns zur offiziellen Eröffnungszeremonie im Weidenhof des Hauptgebäudes am Johannes-Selenka-Platz. Denn: Der Protest findet hier auch repräsentativ statt! Oder ist er integriert? Eine studentische Vertreterin – Jana Doell – hält neben den offiziellen Eröffnungsreden eine Ansprachen und logisch, das interessiert uns dann doch sehr. Einen kurzen Fahrradweg später flanieren wir auch schon über das zarte Grün des gemütlichen Innenhofs. Es ist im Prinzip wie immer: lasziv-chic hat sich die Eröffnungsgesellschaft zusammengefunden, Professoren, Künstler, Funktionäre und ambitionierte Netzwerker vermischen sich mit den Studenten, die noch nie für die seriöse Eröffnung ihren Dresscode geändert haben. So kenne ich die HBK schon aus meinen Studienzeiten. Alles gut. Nur, irgendwie liegt Erwartungshaltung, Unsicherheit und Spannung in der Luft und das scheint auch dem einen oder anderen in durchscheinenden Lettern auf die Stirn geschrieben zu sein. Ein leichtes Zittern liegt in der Luft und auch in mancher Stimme. Man raunt, viele haben die neue Leiterin der HBK noch gar nie zu Gesicht bekommen. Sie ist ganz frisch im Amt. Und dann gleich so ein – nun, soll ich sagen: Ausnahmezustand? Trotzdem läuft alles friedlich ab. Die Reden werden gehalten, alle lauschen, taxieren. Souverän die Ansprache der studentischen Rednerin. In ihren Worte meine ich zwei Elemente als die wichtigsten Aspekte dieses Protestes zu erkennen: Die Freiheit des individualistischen Geistes und die Bereitschaft und das wiederholte Angebot zur Kommunikation. Bereits während ihrer Rede wendet sich die Kunststudentin immer wieder direkt an die Leiterin und die Hochschulrätin und später stehen alle gemeinsam ins Gespräch vertieft. Plötzlich ein unterwartet angepirschtes Angebot. Ob ich Interesse an einem Interview mit dem Hochschulrat zur Lage hätte? Ja, die Hochschulleitung sei womöglich auch erreichbar.
Ganz ehrlich: ich habe erstmal einen Aufschub erbeten. Ein Angebot zwei Wochen früher wäre mir lieber gewesen. In Konfliktsituationen sollte man als Externen vielleicht erstmal schauen, was wirklich Phase ist, um nicht noch unnötig Öl ins Feuer zu gießen, aufgebrachte Gemüter nicht noch mehr anzuheizen. Aber einen hoffentlich konstruktiven Vorschlag habe ich auch schon am Eröffnungstag zur Debatte gestellt: Kommunikation unter Einbezug aller Positionen, eine Kontaktaufnahme zwischen offiziellen Vertretern der HBK, am besten auch der neuen Hochschulleitung, und Vertretern aus dem studentischen Protestlager. Jedoch stelle ich mir da eine konstruktive Gesprächskultur vor, die nicht nur hinter verschlossenen Türen der Hochschule stattfindet. Daher ist es meiner Meinung nach ganz wichtig, diese Gespräche und die Geschehnisse allgemein an Braunschweigs Kunsthochschule auch nach außen zu kommunizieren und unter Einbezug von Kommunikatoren aus der Stadtszene selber transparent zu machen. Eigentlich ist das genau der Punkt, wofür ich schon während meiner Studienzeit an der HBK gekämpft habe.
Für jetzt und gleich ist meine Empfehlung erstmal an alle: Geht in die Hochschule, seid offen, lasst euch ein bisschen treiben, sprecht euch gegenseitig an und redet mit so vielen Menschen wie möglich! Viele haben sich friedliche, aber deswegen nicht uninteressantere Formen ausgedacht, um auf die Missstände aufmerksam zu machen.
Sorry, aber Reden hilft, so blöd das jetzt klingt. Es sei denn, die Beziehung ist wirklich am Ende und davon gehe ich jetzt mal nicht aus.
Here u go….
Alternatives Programm auf Gangstersparadise
Offizielles Rundgangprogramm der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig