
FOTOS: Eine versteckte Bühne zwischen Palmen
Als mir bei Facebook die Einladung zu einem Konzert im Madamenweg 163 ins virtuelle Haus flattert, werde ich hellhörig. Ist dort nicht Joshuas WG? Die Partys dort habe ich leider bisher immer verpasst und die Beschreibung der Band „Wenn einer lügt dann wir“ liest sich interessant. Also überrede ich kurzentschlossen noch Martin, mich zu begleiten und Fotos zu machen, und mache pünktlich Feierabend. Nach einem kleinen Snack zuhause spaziere ich dann mit einem Bier in jeder Hand rüber.
Text: Juri Kummer | Fotos: Martin Laube
Der Snack wäre nicht nötig gewesen, in der Küche der WG ist ein reichhaltiges Buffet aufgetischt. Die Bewohner verstehen sich auf das Retten von Lebensmitteln und das sogenannte „Foodsharing“ und diese Lebensmittel wollen natürlich gegessen werden! Mein Ziel stellt sich als ein urig gemütlicher Hinterhof heraus, in dem es viele kleine Details zu entdecken gibt. Die kleine Bühne strahlt Wohnzimmeratmosphäre aus und es sind Bänke und Teppiche bereitgestellt, auf denen ca. 20 Gäste entspannt den Beginn der Show erwarten. Stichwort entdecken: in der Ecke stehen merkwürdige, mir bekannt erscheinende Metallpalmen. Später stellt sich im Gespräch heraus, dass die gleichen Palmen in der Okercabana stehen – der Besitzer des Hauses ist Künstler, seine Werkstatt befindet sich auf dem Grundstück und er hat die Palmen für die Strandbar gestaltet.
Irgendwann geht das angekündigte Konzert dann los. Die Band, die keine sein will, macht gute Musik und behauptet das Gegenteil. Selbstironie oder Tiefstapelei? Was auch immer es ist, Melissa und Johanna müssen sich nicht verstecken. Die Songs kommen von Herzen und treffen auch genau dort. Witzige Ansagen und eine sympathische Prise Chaos runden die Erfahrung ab. Ich fragte mich, wie es eigentlich zu dieser Veranstaltung gekommen ist, wer diese Band entdeckt haben könnte. Beantwortet wird dies von Johanna selbst noch während des Konzerts: sie zieht bald in die WG ein, die Show findet quasi auf ihrer zukünftigen Terrasse statt und wird daher hoffentlich nicht die einzige Gelegenheit bleiben, „Wenn einer lügt dann wir“ zu erleben. Bis dahin bleiben YouTube, Soundcloud, Spotify oder die EP, die ich ohne zu zögern sofort nach dem Konzert auch kaufe. Wie kann ich ihren Sound beschreiben? Mir als Musikkonsument ohne weitere musikalische Bildung oder Talente auf diesem Gebiet fällt das nicht leicht.
„Wenn einer lügt dann wir“ passen für mich in keine Schublade und wollen das auch nicht. „Shitty Singer-Songwriter“ haben sie sich als Selbstbeschreibung ausgedacht für den Fall, dass jemand auf eine Einsortierung besteht. Diesmal sind sie mit Halbakustik-Gitarre (←heißt das Teil so? Wenn jemand dabei war und es besser weiß, bitte melden!) und E-Drums angetreten. Die Instrumente geben sie nach dem Konzert für alle Anwesenden frei, ein Aufruf zur spontanen Jamsession zum Ausklang. Und tatsächlich gibt es einen Gast, der die Einladung annimmt: Paul aus dem Team der Fahrradselbsthilfewerkstatt und Mitglied von „You Silence I Bird“ sorgt mit Gitarre und Gesang für eine Fortsetzung der Gemütlichkeit. Die restlichen Gäste quatschen, essen, trinken und fühlen sich wohl. Man kann es sich richtig gut gehen lassen an einem lauen Sommerabend auf dem Hinterhof vom Madamenweg 163.
Kleine Entdeckung als Nachtrag von Stef: Der Madamenweg hat ein Wikipediaeintrag und das Haus 163 ist eins der ältesten Gebäude der Straße: Wieder etwas über die eigenen Stadt gelernt.