
Theaterball 2016 – wo er hingehört?
30.01.2016, Samstagabend, der zweite Abend des Theaterballs im Großen Haus. Seit einigen Jahren wird dieser Ball, wie Generalintendant Joachim Klement zu Beginn seiner Amtszeit einst anmerkte, „wieder dorthin geholt, wo er hingehört: ins Theater. Nun, ich liebe das Theater, und räume ein, dass es für das Hauptprogramm kaum einen würdigeren Rahmen gibt. Dennoch kann ich mich nicht an die Aufteilung der zwei Theaternächte gewöhnen, die nicht nur durch die Preisunterschiede ein Geschmäckle von Klasseneinteilung hat.
Text: Alkmini Laucke | Fotos: Volker Beinhorn
Finger in die Wunde – ohne Salz
Dieses Thema griff der dieses Jahr moderierende „Gottschalk Braunschweigs“, Feridun Öztoprak in bissiger Weise auf, in dem er die Gäste an den Tischen überzogen ausführlicher begrüßte, als die auf den „billigen Plätzen“ – die, so möchte ich anmerken, sich aber auch eine musikliebende alleinerziehende Mutter nicht leisten könnte. Diese und diverse andere Spitzen wusste er gekonnt zu setzen, gleich dem Finger in der Wunde. Schade, mir hätte, gerade in diesen Zeiten von vorgeblicher Solidarität, bunter Vielfalt und Willkommenskultur, noch die Prise Salz gefehlt; den Streuer, welchen ich zwar in Öztopraks Sakko wähnte, denn er jedoch nicht konsequent zog.
So hatte mich zunächst gefreut, dass die Theaterleitung hier frischem Wind Raum zu geben schien. Allerdings gewann ich rasch den Eindruck, dass man bereit war, Öztoprak gehörig ins Messer laufen zu lassen. Seine Analyse war ins Schwarze getroffen. Naserümpfen bei einigen Gästen. Allerdings bewies er Professionalität und Ruhe, in dem er selbst sehr schnell zu erkennen schien, wie weit das Braunschweiger Publikum ihn trug – oder ob es überhaupt reif für ihn war? Er spaltete. Aber er bewies Größe, indem er sich fügte, ohne sich dabei selbst zu verraten. Im Gespräch mit Kult-Tour gab Öztoprak deutlich an, dass er für diese Veranstaltung freie Hand und Vertrauen genoss und sich entgegen meiner Projektion als Entertainer mit satirischem Biss, ausschließlich als Moderator diese Ereignisses verstand.
Künftig bitte mehr Öztoprak!
Ich bleibe bei meinem Wunsch, künftig mehr Öztoprak erleben zu dürfen: Scharf analysierend, dabei gnadenlos, ungeschminkt und wahrhaftig. Ihm hingegen wünsche ich hierbei ein Publikum, das Wahrheiten erträgt, reflektiert und ihn honoriert, anstatt ihn als Überbringer unbequemer Feststellungen zu lynchen.
Große Namen erst erkannt wenn sie fort sind?
Zwar ist das Theater in den letzten Jahren redlich bemüht, Braunschweig durch große Namen Glanz zu vermitteln. Auf mich wirkt das zwar ganz „nett“, jedoch erschließt sich der Sinn mir nicht in vollem Umfang. Bringt Braunschweig denn keine großen Namen hervor? Das was derzeit im Ensemble wirkt, ist einfach höchstes Niveau. Wie anders soll man die grandiose, anmutige Ekaterina Kudryavtseva, den klangvollen Bariton Orhan Yildiz oder die äußerst vielseitige und bezaubernde Mezzosopranistin Milda Tubelyte betrachten? Werden diese großen Namen erst dann als solche erkannt, wenn sie gegangen sind? Ebenso Tina Ajala, dem Publikum aus dem hier sehr erfolgreich inszenierten Musical „Ragtime“ bekannt, die zwar beim Theaterball gemeinsam mit Sängern aus dem Opernchor ein Medley zum Musical „Hair“ repräsentierte, welches dieses Jahr den Burgplatz dominieren wird – allerdings mit Gastsängern. Mit Recht sollten Arthur Shen mit Sunguk Choi, Yuedong Guan und Jason Moore, die „O sole mio“ mit harmonischem Schmelz darboten, Begeisterungsstürme auslösen. Gregor Zöllig verspricht mit seinem Ballettensemble und dem „Ball der einsamen Herzen“ einen Vorgeschmack mit Lust auf mehr. Rührend wirkt auf mich jedes Jahr der Einzug der DebüttantInnen unter der Einstudierung der Tanzschule Haeusler Kwiatkowski, die die Tanzfläche alsbald den Gästen überließen.
Spätestens nach Mitternacht verwaiste Stände und Räume
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele Besucher den Ball nach dem Abendprogramm, spätestens nach dem Mitternachts-Special verlassen haben. Das ist wirklich bedauerlich, denn danach sieht man nur noch verwaiste Stände und Räume. Durch die verschiedenen Ebenen, verläuft sich das Treiben erheblich. Problematisch ist dieses Konzept dahingehend, dass so ganz sicher nicht das junge Publikum für Bälle solchen Formats gewonnen werden wird.
Theater vs. Stadthalle
Da kann ich im Vergleich zu den in der Stadthalle ausgerichteten Theaterbällen feststellen, dass diese bis weit nach Mitternacht durch reges Treiben belebt waren. Es war für jeden etwas dabei und dies durch die eine Ebene auch schnell erreichbar. Dadurch gelang den Veranstaltern in der Vergangenheit ein generationsübergreifendes Event, welches vor allem auch die jungen Menschen anzog. Folgerichtig war auch zu fortgeschrittener Stunde noch einen Snack zu erhalten, so dass man nicht, wie zum wiederholten Male geschehen, an eine unansehnlich abgeräumte Platte treten musste, um dann lieber doch auf den Snack zu verzichten.
Fazit
Selbst die Braunschweiger Bekleidungsgeschäfte schrecken derzeit davor zurück, festliche Kleidung einzukaufen. Das Argument war immer wieder, dass die Nachfrage nicht vorhanden sei, weil die Anlässe fehlten. Auch hier hat das Theater nicht nur das Privileg, sondern auch die Pflicht Sorge zu tragen, gerade die jungen Menschen „mitzunehmen“ und sie zu motivieren sich für die Schönheit der Künste in vollem Umfang zu öffnen. Deshalb halte ich es für unerlässlich, die trennenden zwei Nächte dann doch wieder zu einem großen gemeinsamen und generationsübergreifenden Event zu gestalten.